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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
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dem Fahrzeug vertraut.
    Hat sie einen Freund, fragt er, als sie die Kupplung tritt.
    Wieso, bekomme er kalte Füße? Erst anbaggern, dann Angst vor dem Ehemann kriegen?
    Ach, sie ist verheiratet?
    Er glaubt ihr nicht und ist doch ein wenig erschrocken, wer weiß, vielleicht ist sie wirklich verheiratet; würde das etwas ändern?
    Sie schaltet das Fernlicht an, der Lichtkegel der Autoscheinwerfer verliert sich in der Nachmittagssonne.
    Sie ist nicht wirklich verheiratet, oder?
    Sie antwortet nicht.
    Wie ihr Mann sei? Ob er jähzornig sei?
    Orientalische Männer seien immer jähzornig, antwortet sie spöttisch.
    Sie startet den Motor und biegt in die Ritterstraße ein, das Pflaster prasselt kühl unter dem Fahrzeugboden.
    Warum sie das mache? Warum sie mit ihm an einen See fahre, wo sie doch verheiratet sei? Sei sie wirklich verheiratet?
    Habe er Angst?
    Nein, er habe keine Angst mehr.
    Es ist heiß, sagt sie, ich schwitze, ich will schwimmen gehen.
    Mit mir, denkt er, mit mir schwimmen gehen.
    Vor der Autobahnauffahrt halten sie an einem chinesischen Importgeschäft, einem dieser Läden, in denen man alles bekommt, Plastikgeschirr, Kinderspielzeug, Kochtöpfe, Winkkatzen, und kaufen sich Badesachen. Daniel entdeckt eine Sonnenbrille mit kreisrunden Gläsern, die wie Bullaugen aussehen, aber nicht in erster Linie an Schiffe, sondern an Fotos aus den siebziger Jahren erinnern, an eine Zeit, die man nur aus Kinofilmen und Bildbänden kennt, eine Zeit, als der Vater ein Teenie, aber wahrscheinlich noch zu jung war, zu sehr unter der Knute des Beamten-Vaters stand, um solche Brillen zu tragen. Die Brille als Fenster in eine andere Zeit, als Bullauge.
    Dem, seltsamer Name, denkt Daniel, lächelt, als er zurück zum Wagen kommt, ihr die Brille aufsetzt, sofort aufsetzt.
 
    Sie rollen auf die Stadtautobahn, der Verkehr fließt zäh, vom Asphalt steigt flimmernde Hitze auf, der Teer sieht wie eine amorphe, gallertartige Masse aus, zäh wie der darüber fließende Verkehr, der in der Sonne aufweichende Asphalt. Während Dem nach einem Radiosender sucht, mit jedem Kanal, bei dem der Scanner hängen bleibt, unzufrieden ist, passieren sie das Kraftwerk am südwestlichsten Punkt der Autobahn, umfahren die Innenstadt in einem weiten Bogen, sehen die backsteinfarbene Siemensstadtsiedlung vorbeiziehen. Hinter der Stadtgrenze erstrecken sich schon bald Kiefernwälder und Sanddünen neben der Autobahn. Daniel erinnert sich an eine Begegnung mit dem Vater, eine Begegnung, die er vergessen, aus der Erinnerung getilgt zu haben glaubte.
 
    er war sechzehn das erste
            mal
            allein
    mit freunden im urlaub
 
    Daniel, seine damalige Freundin und zwei Klassenkameraden waren auf sein Betreiben nach Portugal geflogen, hatten in einer Hotelburg an der Algarve zwei Zimmer mit Halbpension gebucht, unweit von Lagos, und für einen kurzen Augenblick fällt Daniel das Plakat in Sarahs Küche ein, der anderen Frau, das Architekturplakat, Learning from Lagos , obwohl er sonst fast gar nicht mehr an diese Frau, ihre Küche denkt und es sich um ein anderes Lagos handelte, nicht um das afrikanische, sondern um die Stadt in Portugal. Fil hatte den Jugendlichen vorgeschlagen, sich an einem Strand etwas weiter nördlich zu treffen, einem Strand, den der Vater angeblich gut kannte, an dem er schon oft gewesen war und der für seine Dünen bekannt sein sollte.
    Obwohl Daniel die Vorstellung, den Vater mit den Freunden zu treffen, nicht ganz geheuer gewesen war, er sich gefragt hatte, was für einen Eindruck der Vater auf die Freunde, welchen Eindruck sie auf Fil machen würden, hatte er zugesagt, auch deswegen, weil sie nicht nur im Hotel bleiben, sondern auch etwas vom Land sehen wollten. Natürlich hatte der Vater keine Ferienwohnung gemietet, in die er sie hätte einladen können, sondern campierte am Rand eines Naturschutzgebietes, und so trafen sie sich an einer kleinen, mit Azulejos gefliesten Bahnstation, an der nur wenige Zügehielten, drei oder vier täglich, und fuhren mit dem Linienbus die letzten Kilometer zum Strand, breiteten ihre Schlafsäcke in einem Pinienhain aus
 
        aßen am lagerfeuer
        gegrillten fisch
                brot käse
 
    Wie Clochards, sagte Daniel verlegen, worauf seine Freundin begeistert nickte: Ja, wie Clochards!
    Zwei Tage, kaum zwei Tage verbrachten sie mit Fil zwischen den Dünen, stiegen morgens an den Strand hinunter, um ihre Badetücher im Sand auszubreiten, wo die

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