Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raul Zelik
Vom Netzwerk:
Lagos , an Steffen, den Mitbewohner, der seit Wochen kein Mitbewohner mehr ist, die Universität, denkt:
 
            auto fahrtwind
    hitzeglocke
 
    Ein sichelförmiger See schimmert, einen Sternschnuppenregen über die Netzhaut werfend, zwischen Baumriesen durch. Die Betonpfeiler einer Autobahnbrücke tauchen hinter einer Kurve auf der anderen Seeseite auf und verschwinden wieder.
    Daniel streckt die Beine aus, legt die Füße auf die Ablage, drückt den Hinterkopf gegen die Stütze des Beifahrersitzes und betrachtet die Frau. Das Profil, ihre Nase sieht aus dieser Perspektive gerade, irgendwie griechisch aus, wie bei einer Statue. In der Nasenwand trägt sie einen Stecker, einen winzigen Stein.
    Sie dreht ihm den Kopf zu, hat offensichtlich bemerkt, dass er sie beobachtet, mustert nun ihrerseits ihn, als frage sie sich, was ihre Begegnung zu bedeuten hat, was für ein Mensch er ist. Als vermesse sie sein Gesicht.
    Dann blickt sie ernst, ohne gelächelt zu haben, wieder nach vorn, konzentriert sich auf den Verkehr.
 
    Als Daniel den Kopf aus dem Fenster streckt, die Augen erneut zu tränen beginnen, er durch die Wimpern auf den Grünstreifen neben der Autobahn blinzelt, erinnert er sich an einen Film, eine Fernsehreportage, die er vor ein paar Wochen gesehen hat, breitet sich eine tropische Landschaft vor ihm aus. Tafelberge, die sich wie Kathedralen aus der Ebene erheben, ein kleiner Flusslauf, auf dem ein Motorboot gegen die Strömung ankämpft. Drei Personen mit zerzausten Haaren sind zu sehen. Einer spricht in die Kamera, erzählt, was sie in diese Gegend verschlagen hat, dass sie eine Erstbesteigung planen, eine unbekannte Felswand bezwingen wollen, zunächst diesen Dschungel, eines der letzten unberührten Waldgebiete des Planeten, durchqueren müssen, sich vierzehn, sechzehn, achtzehn Tage mit dem Boot durch die Vegetation kämpfen, bis sie endlich die Felswand besteigen können, und eine Frau, die wie Dem aussieht, aber ein rotweißes Frottee-Stirnband trägt, das nicht recht zu ihr passt, spricht von diesem Berg, den die Ureinwohner in ihrer Mythologie für eine Echse, einen Jaguar, die Erinnerung an eine zukünftige Erstbesteigung, einen Traum innerhalb eines Traums halten, spricht von der Felswand, die fast tausend Meter hoch sein soll und die sie, zu dritt, zum ersten Mal, ohne Sicherheit und mitten im Dschungel erklettern wollen. Die Frau sagt, dass fast noch beschwerlicher und unberechenbarer als der Aufstieg die Annäherung an den Berg sei, denn immer wieder, erklärt sie, ihr Gesicht ist verschwitzt, müssten sie das Boot schultern, um es an den Untiefen vorbei flussaufwärts zu tragen.
    Und Daniel blinzelt durch die Lider auf die Frau hinter dem Lenkrad, sieht sie dreckverschmiert, verschwitzt, auf einer Dschungelexpedition und fragt sich, wie er auf die Idee kommt, Dem könnte diese Frau sein,
 
                    die frau aus der fernsehreportage
            die expeditionsteilnehmerin
 
    Sie halten am Eingang eines Sandwegs, der am Uferstreifen entlangführt, und wieder fällt ihnen das Licht, fallen Sonnenstrahlen, reflektiert von der sich kräuselnden Wasseroberfläche, wie Lametta vor die Füße. Nur das Brummen von Insekten ist zu hören, Vögel sind nicht zu sehen, ihnen scheint es zu heiß zu sein.
    Daniel steigt vor der Frau aus dem Mietwagen, verfolgt, wie sie das Auto absperrt, ihre Füße zwischen Wurzeln und abgebrochene Äste setzt, ihre Turnschuhe über den Sandboden federn, sie nach ein paar Schritten, sie ist vorausgegangen, ihren Kopf nach hinten wendet. Sie wirft Daniel einen Blick über die Schulter zurück zu, lacht.
    Ob sie den Sommer über in der Stadt sein werde.
    Wahrscheinlich, es hänge vom Geld ab, sie müsse sich erst einmal ein paar Wochen um den Kiosk kümmern.
    Unter Tage, denkt er, um den Kiosk kümmern, sie bleibt, sie werden noch öfter zusammen an einen See fahren, an Uferwegen unter einem Blätterdach entlanglaufen, Lametta vor die Füße fallen sehen können, und er ist erleichtert, unglaublich erleichtert.
 
    Als sie die Badestelle erreichen, schlüpft die Frau aus den Schuhen und läuft auf den leeren, kleinen Sandstrand zu, der sich an einer kleinen Lichtung erstreckt.
    Die Sonne brennt, nur ein kleiner Weg führt durch den Schilfgürtel ans Wasser, zügig hat die Frau ihre Trainingshose ausgezogen, das T-Shirt behält sie an, schnell folgt ihr Daniel in Shorts in den See. Das Wasser steigt kühl an den Oberschenkeln hinauf,

Weitere Kostenlose Bücher