Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
leise dazu.
Ägypten, die Familie komme ursprünglich aus Ägypten.
Und der Imbissbudenbesitzer, was spreche der? Sei der nicht aus dem Sudan?
Was spreche man denn im Sudan?
Auch Arabisch? fragt Daniel.
Sie antwortet nicht, sie verdreht nur die Augen.
Das sei ja, setzt Daniel an, verkneift sich aber das unvermeidliche interessant , fragt stattdessen nach dem Klettern, ob sie nie Angst habe, wenn sie in einer Wand hänge, zweihundert Meter über dem Boden.
Nein, eigentlich nicht, antwortet sie.
No risk, no fun , schlägt er vor.
Es sei schön, über den Dingen zu stehen, antwortet sie, darüber vergesse man die Angst.
Der Imbissbesitzer stellt zwei Gläser Tee auf den Tisch, nach Zimt riechenden Tee, und Daniel verfolgt, wie der Zuckerwürfel das herausgeschwappte Teewasser aus dem Unterteller aufsaugt, sich braun verfärbt, langsam zerfällt.
Er habe Höhenangst, bekennt er, er könne nicht mal eine Autobahnbrücke überqueren, ohne nervös zu werden.
Manche so, andere anders, erwidert die Frau, nippt an ihrem Tee, greift nach der auf dem Nebentisch liegenden Modezeitschrift, um darin zu blättern, und Daniel denkt: ja und manchmal so, und dann ändert sich plötzlich das ganze Leben, und man fühlt sich besser dabei.
erdnusssauce roter pfeffer eine heiße falafel
schweißtropfen die über die haut laufen
achselhöhlen
hinunterrinnen
über den
brustkorb
sich am scheitelpunkt jeder rippe beschleunigen
um danach wieder
an geschwindigkeit
zu verlieren
oder bildet er sich das ein?
treten die rippen überhaupt weit genug heraus
als dass sie die bewegung der schweißtropfen beeinflussen könnten?
Seit fast vier Wochen Hitzewelle, der Sommer wird nur gelegentlich von heftigen Gewittern unterbrochen.
Gewitter, die einen nachts aus dem Schlaf reißen.
Kurz nach dem Lichtblitz erzittert der Boden.
Man schreckt hoch, starrt in den Himmel, der manchmal noch nachglimmt.
Oder ist es der Sehnerv?
Sie zahlen, die Frau verabschiedet sich mit Handschlag vom Imbissbesitzer, draußen auf der Straße blendet das Licht.
Der Himmel hinter dem Blätterdach, das die Straße, das Kopfsteinpflaster bogenförmig überdacht, glüht weiß.
Die Frau blickt Daniel an, aber er kommt ihrer Frage zuvor: Sie könnten machen, worauf sie Lust habe.
Worauf habe ich denn Lust?
Das müsse sie schon selbst wissen.
Und er ? Worauf hat er Lust?
Vielleicht war es das, denkt Daniel, was das Leben des Vaters auszeichnete: dass er ein Ziel hatte und trotzdem machte, wozu er Lust hatte. Aber vielleicht ist es auch nur das, was jetzt Daniels Leben ausmacht.
Hat er ein Ziel?
Es ist heiß, Schweiß läuft unter dem Hemd über die Haut, rinnt unter dem Hemd über die nackte Haut die Achselhöhlen hinunter, über den Brustkorb, beschleunigt sich am Scheitelpunkt jeder Rippe, um danach wieder an Geschwindigkeit zu verlieren, oder bildet sich Daniel das nur ein, treten die Rippen überhaupt weit genug heraus, um die Bewegung der Tropfen beeinflussen zu können?
Der Fluss, denkt Daniel, dieser Strom, der durch einen hindurchgeht, wann hat dieses Gefühl seinen Anfang genommen, der einen wegspült, mit sich nimmt, dieser Strom fließt einfach weiter.
Worauf sie Lust hat, was auch immer als Nächstes geschieht.
Zwei Arten der Bewegung – das Anrennen in der täglichen Mühle, man läuft im Kreis und kommt nicht vorwärts, der Strom dagegen durchquert einen, bewegt einen, ohne dass …
Ob sie damals lange für den Funkturm am Alex gebraucht hätten.
Ein paar Tage, sie überlegt, sie hätten Probleme mit der Folie gehabt, sie nicht mehr abziehen können, aber das sei erst am Ende gewesen.
Habe sie sich umgeschaut, hinuntergeblickt, habe sie dafürZeit gehabt, oder musste sie sich auf die Arbeit konzentrieren?
Sie erinnert sich an einen Abend, sie habe den Teufelsberg und die Wälder im Westen gesehen, den Sonnenuntergang, Berlin habe sehr grün ausgesehen.
Hat im Abendlicht, denkt Daniel, die Sonne ein roter platzender Pfirsich, sehr grün ausgesehen, denkt Daniel, die Stadt.
Ob man, wenn man stirbt, überlegt er, es heißt ja, man erinnere sich, wohl vor allem solche Bilder vor Augen hat? Sieht man eher stills , Momentaufnahmen, oder
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