Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
gebrochenen, in Zungen auslaufenden Wellen schäumend vor ihren Füßen versickerten, und um den Kite-Surfern zuzuschauen, die sich vom Wind in die Luft heben ließen, meterhoch durch die Luft flogen. Daniel fühlte sich unsicher in diesen Tagen, obwohl er der unumstrittene Wortführer in seinem Freundeskreis war, obwohl die anderen ihn zu keinem Zeitpunkt in Frage stellten. Alles war ihm peinlich an dieser Begegnung: die Bemerkungen der Freunde, die der Vater für angepasst, für verwöhnt halten würde, und umgekehrt die des Vaters, der den Freunden wie ein Spinner vorkommen musste
ein freak
fast ein clochard
Dazu kam die Ungewissheit: ob ein nächtlicher Regenschauer, ein streunender Hund, patrouillierende Polizisten sie aus dem Schlaf reißen würden. So waren die zwei Tageam Strand wie ein Spiegel ihrer Beziehung; der Vater bot keine Sicherheit, breitete nur sein Dasein vor einem aus, die Möglichkeit einer Existenz. Sonne, Meer, Essen, Schlafen. Doch anders als Daniel erwartet, befürchtet hatte, fühlten sich seine Freunde mit dem Vater wohl, genossen es, der behüteten Reihenhausordnung entkommen zu sein, und Lisa, Daniels Freundin, wurde nicht müde zu betonen, wie aufregend ihr der Vater erschien, wie sehr sie seine Lockerheit mochte, seine Unspießigkeit , die Selbstverständlichkeit, mit der er ihnen, den sehr viel Jüngeren, begegnete.
Ich war eifersüchtig, erinnert sich Daniel, ich beobachtete misstrauisch, wie die Freundin den Vater ansah, wenn er aus dem Wasser stieg, mit nassem Oberkörper über den Strand lief, Fußball spielte, dabei gab es keinen Grund für dieses Misstrauen, gab der Vater dem Mädchen keinen Anlass für ihr Interesse, behandelte sie ganz genauso wie die anderen Jugendlichen, freundlich-distanziert, das heißt, Daniel hatte wirklich kein Motiv, wütend auf den Vater zu sein, und doch verstörte ihn die Tatsache, dass Lisa, nur wenige Monate älter als er, Fil nicht einfach nett, sondern interessant, attraktiv, jung, ganz anders als unsere Eltern fand, dass sie Daniel über ihn auszufragen begann.
Daniel sollte danach weder mit der Freundin noch mit dem Vater über diese Tage sprechen, die verwirrende Situation, die irritierende Eifersucht an dem portugiesischen Strand, der Praia dos caẽs hieß, nach einem Roman, wie Fil behauptete, oder umgekehrt ein Strand, über den ein Roman geschrieben worden war, ein politischer Roman , der Hinweis darauf durfte nicht fehlen.
Die Luft war wie hier, denkt Daniel, die flirrende Hitze, der heiße Geruch von Kiefernharz.
Ob er Geschwister habe.
Nicht, dass er wüsste.
Und sie?
Zwei Schwestern, die sie kaum sehe, sie stamme aus einer global family , die über den Erdball verteilt sei, die älteste Schwester lebe in den USA , die andere in Australien.
Kängurus, Koala-Bären, Eukalyptushaine, endlos weite Strände, denkt Daniel. War sie schon einmal dort?
Sicher, antwortet sie, surfen.
sandboden
wie damals am meer
nadelholzbäume
aber anders als am portugiesischen strand
zwanzig dreißig meter hoch
der fahrtwind flackert in den ohren
wie schlagendes segeltuch
Zu welchem See sie eigentlich wolle, fragt er.
Die Musik aus dem Radio ist kaum zu hören, nur ein diffuses Heulen, das vom Fahrtwind überdeckt wird.
Seen, antwortet sie, gibt es in Brandenburg wie Sand am Meer.
Seen wie Sand, wiederholt er und zuckt mit den Achseln.
Er ist noch nicht lang in Berlin?
Nein, er kommt aus Göttingen.
Kontroll-Freak und zugezogen, stellt sie höhnisch fest, denn sie , sie ist Berlinerin.
Seit die Familie aus Minden kam.
Sie verlässt die Autobahn, fährt über Landstraßen tiefer in den Wald, in dem die Luft stillzustehen scheint, der scharf nach Kiefernharz riecht, und Daniel lehnt den Kopf aus dem Fenster, lässt den heißen Fahrtwind in die Augen schießen, bis sie tränen, heiße trockene Luft, die im Gesicht ein stechendes Gefühl erzeugt, einen Anflug von Lähmung.
Der Vater fällt ihm ein, der unter seinem dünnen Laken liegt und darauf wartet, wieder zum Leben erweckt zu werden. Golem, sie haben die Geschichte in Germanistik diskutiert, eine Lehmfigur, die darauf wartet, Leben eingehaucht zu bekommen. Aber kann eine Lehmfigur, ein Maschinenkörper überhaupt hoffen?
Daniel denkt an die Mutter, an das Plakat in der fremden Küche, Learning from
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