Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
schweiß, warmem plastik und schweiß, steht einfach nicht mehr von seinem sitz auf, fährt einfach weiter, gibt sich der situation hin, denkt darüber nach, was wäre, wenn nichts mehr geschähe, er diese frau nicht wiedersähe, sie ihm einfach egal wäre oder umgekehrtfür immer an sie gekettet bliebe, an diese frau, die ihm so lächerlich erscheint.
Als der Bus die Endhaltestelle erreicht, steigt er nur aus, um in die entgegengesetzte Richtung wieder zurückzufahren, wieder die Stadt an sich vorbeiziehen zu sehen, ohne etwas dafür zu tun, als Unbeteiligter. Im Nachhinein könnte er kaum sagen, wird er kaum sagen können, wie er die eigene Wohnung, Fils Wohnung wieder erreicht. Er stemmt die schwere Haustür auf, steigt das Treppenhaus hinauf, in dem es nach Feuchtigkeit riecht, geht an jener Wohnungstür vorbei, hinter der man zu schätzen weiß, dass anderswo richtig gestreikt wird, kommt daheim an, in Fils Wohnung an, reißt das Fenster auf, zieht einen Stuhl heran, streckt den Kopf aus dem Fenster in die lauer werdende Luft, es wird kühler, der Nachmittag milder, während aus der Anlage, Fils Anlage, französischer, in einem unverständlichen Dialekt gesungener Dub schallt. Die Frau kann nicht von ihm schwanger sein, die unerträgliche Frau, sie will ihn unter Druck setzen, weil er sich nicht bei ihr gemeldet hat, will ihn das Gefühl spüren lassen, hängengelassen zu werden, dabei kennt er das Gefühl doch, wenn er etwas hasst, dann das Gefühl, hängengelassen zu werden, aber er hat sie nicht im Stich gelassen, da war eigentlich nichts, er hat keinen Grund für ein schlechtes Gewissen, denkt er und steht dann auf, um noch einmal zum Schreibtisch seines Vaters zu gehen, die Dinge aus Fils Perspektive zu sehen, so nahe wollte er dem Vater nicht kommen, zieht die Schublade auf, nimmt Fils Papiere heraus, den Reisepass, den Block mit den Kontoauszügen und blättert sie durch; fühlt sich leer.
So vergeht der Nachmittag
der nachmittag vergeht so
Er meldet sich nicht bei Sarah, er geht Dem abholen. Will sie fragen, ob sie bei ihm wohnen, sich für ein paar Wochen die Wohnung mit ihm teilen möchte. Steffen ist immer noch nicht eingezogen, hat immer noch keinen Umzugstermin, Dem und Daniel hätten die Wohnung allein, sie könnte der Einrichtung ihrer Tante entkommen, Daniel und sie könnten sich sehen, wann immer sie wollten.
Sie wirkt etwas abwesend, als er am Kiosk ankommt, zwinkert ihm nur kurz durch die Scheibe des Kabuffs zu. Er hilft ihr bei der Abrechnung, beim Zusammenschnüren der unverkauft gebliebenen Zeitungen, dann gehen sie nach oben, ans Tageslicht, streifen durchs Viertel, setzen sich mit großen, viel zu großen Eisbechern auf eine Parkwiese, und als sie langsam etwas auftaut und ihn fragt, wie sein Tag gewesen sei, setzt er an zu erzählen, erklärt, zwar vage, aber ehrlich, dass er in den vergangenen Tagen immer wieder das Gefühl gehabt habe, in der Haut des Vaters zu stecken, eines Vaters, auf den er seit Jahren sauer sei, das Gefühl gehabt habe, dem Vater ähnlicher zu werden, als er je wollte, fast wie in einer antiken Tragödie, fast als werde er von seinem Schicksal eingeholt, einem Schicksal, von dem ihn die Mutter fernzuhalten versucht hat, doch Demiana will nicht über Familienprobleme sprechen, vielleicht auch, weil sie befürchtet, dann über die eigene Familie ausgefragt zu werden, erkundigt sich stattdessen nach seinem Sternzeichen, fragt sinnlos, ob er Widder sei, einfach nur, um das Thema zu wechseln.
Sie rauchen, Dem dreht schon wieder einen nächsten Joint,und Daniel spürt die Abendsonne weich im Gesicht, sehr mild, sie schlendern weiter über die Grasnarbe, die Savannenlandschaft, den ausgetretenen Park, der von der Sommertrockenheit ausgelaugt ist, ockerfarben schimmert, sie wirbeln Staub auf mit ihren Schritten, der in den Augen kratzt wie Bindehautentzündung, aber das kann auch vom Gras kommen, gehen zum Kanal hinunter, wo ein Motorboot anlegt, der Schiffsbug zerschneidet die Wasserhaut, sehen, wie sich die Lichter spiegeln;
die wohnungen auf der gegenüberliegenden seite des kanals
werfen
lichtanker
ein
hund
kläfft
zwei jogger
keuchen
sich
erschöpfte
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