Der eine Kuss von dir
Hormonschübe, aber die meiste Zeit ist das der beste Job, den ich mir vorstellen kann. Man bleibt jung. Im Kopf, meine ich, denn auf dem Kopf, da bin ich ja schon grau, aber da drin (er klopft gegen den Kopf)… ja, ich krieg schon einiges mit. Die Kids reden mit mir. Das war schon immer so. Und dieses Konzert gestern, das war ein echtes Highlight! Ehrlich! Das war genau mein Ding. Feinste Musik! Ich freue mich sehr darüber, wenn junge Leute so großartige Musik machen, von den Alten inspiriert und doch neu interpretiert. Ich war auch selbst überrascht, wie viele Leute gekommen sind. Davon wird man noch eine Weile hier sprechen. Also beide Daumen hoch von mir, Jungs! Macht weiter so, werdet immer besser und werdet keine Arschlöcher, und vor allem: Kommt immer wieder nach Brandenburg!
Er grinst in die Kamera und hält beide Daumen in die Höhe.
Ich drücke den Ausschaltknopf.
»Ich möchte den Film aber auch zu Gesicht bekommen, kleine Frieda«, sagt er und umarmt mich dabei. Dann sind alle anderen dran.
In der allgemeinen Aufbruchs- und Umarmungsstimmung wechseln Milo und ich heimliche Blicke, über Köpfe hinweg produzieren wir Spannungsfelder.
Als Linda schließlich in den Bandbus klettert, empfinde ich das für einen Moment als ungerecht, aber Edgar zieht mich in den Opel, und da sitze ich wieder zwischen Fenster und Schlafsäcke gequetscht, und das scheint auch der beste Platz zu sein, den man sich für diese Tour vorstellen kann.
Dan allerdings wirkt niedergeschlagen.
»Alles klar?«, frage ich ihn.
»Ach«, seufzt er.
Edgar verdreht die Augen und zeigt unaufällig den Vogel.
Matse startet den Wagen, und schon befinden wir uns wieder auf der Landstraße, mit 90 km/h brettern wir Neuruppin entgegen.
»SIE HEISST MANDY!«, platzt es plötzlich aus D an heraus. »Ich meine, man könnte denken, von einer Mandy dürfte man nicht so viel erwarten. Mandy aus Brandenburg … Aber wisst ihr was? Das stimmt nicht, weil Mandy aus Brandenburg ist so ziemlich das coolste Mädchen, das mir bisher über den Weg gelaufen ist! Und wisst ihr noch was? Mir ist das scheißegal, dass ihr jetzt so blöd grinst und euch sonst was denkt, weil auch das nichts daran ändert, dass ich Mandy aus Brandenburg einen Heiratsantrag gemacht habe!«
Edgar prustet los.
Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf. »Oh mein Gott. Und?«
»Und? Sie hat Nein gesagt.« Dan kaut an seinen Fingernägeln und starrt niedergeschlagen vor sich hin.
»Na, da kann man sie ja nur beglückwünschen«, stichelt Edgar.
Dan zeigt Edgar den Mittelfinger und sinkt dann in sich zusammen.
Ich sehe Edgar eindringlich an und schüttle den Kopf, damit er aufhört, Dan aufzuziehen.
»Wie alt ist denn Mandy aus Brandenburg?«, frage ich vorsichtig nach.
»Siebzehn«, antwortet Dan. Er holt sein Handy raus und sucht ein Foto, zeigt es mir. Mandy küsst Dan auf die Wange. Dan grinst stolz in die Kamera.
»Es sieht aus, als ob sie dich mag«, bemerke ich in einem übertrieben fröhlichen Tonfall.
»Nicht genug.«
»Vielleicht ist siebzehn kein gutes Alter zum Heiraten?«, gebe ich zu bedenken.
»Ich bin ein Idiot.« Er schaut sich noch einmal das Foto an, streicht mit dem Finger über Mandys Haar und drückt dann auf Löschen.
Edgar brabbelt irgendwas vor sich hin. Und da flippt Dan schließlich aus.
Er dreht sich zwischen den Sitzen nach hinten um. »Weißt du was? Du brauchst dich hier gar nicht so aufzuspielen! Wenn ich mich recht erinnere, habe ich dich mit überhaupt keinem Mädchen gesehen, Mister Supercool. Also tu mal hier nicht so überheblich, sonst vergesse ich mich und haue dir noch eine rein!«
»Hey!« Von vorne schaltet sich Matse ein. »Wenn es hier irgendwie knallt, dann fliegt ihr alle raus, verstanden?! Alle! Könnt dann schön zu Fuß nach Neuruppin spazieren. Geht mir lieber nicht auf den Sack!«
Wir verstummen betreten. Edgar und Dan werfen sich noch einen bösen Blick zu und drücken sich dann in die Sitzpolster.
Wow. Ein Heiratsantrag. Das ist so was von seltsam und abwegig, dass es doch wieder etwas hat. Ich wünschte, ich hätte Mandy aus Brandenburg kennengelernt. Was für ein Mädchen muss man sein, um mit siebzehn einen Heiratsantrag zu bekommen? Oder ist Dan einfach ein wenig verrückt? »Wird schon«, flüstere ich ihm zu, aber er schüttelt nur resigniert den Kopf.
Den Rest der Fahrt sehe ich aus dem Fenster, schaue zu, wie Felder an uns vorbeirauschen, Kühe und Bäume, riesige Baumärkte und Gartencenter. Ich denke
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