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Der eine Kuss von dir

Der eine Kuss von dir

Titel: Der eine Kuss von dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrycja Spychalski
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dem Zimmer.
    Vor der Tür liegen tatsächlich Tom und Robert und schnarchen um die Wette. Das muss ich jetzt aber doch aufnehmen, da werden sie sich totlachen hinterher. Sie schlafen so fest, dass das Klickgeräusch der Kamera ihnen nichts anhaben kann. Einmal rangezoomt, fertig. Ich grinse und schiebe mich an ihnen vorbei, um auf mein Zimmer zu gehen, welches fast unbenutzt, sauber aber ungelüftet, die ganze Nacht leer stand. Ich lasse mich ins Bett fallen, mit einem tiefen Seufzer. Das alles so kommen würde, hatte ich nicht erwartet, aber jetzt scheint es mir so, als wäre alles von Anfang an genau darauf hinausgelaufen. Das blöde Aufziehen mit dem Filmmädchen, dass ich Milo im Bus fand, als er verschwunden war – und dann waren da immer diese Blicke zwischen uns.
    Ich wähle die Nummer meiner Eltern für den täglichen Statusbericht. Sie haben darauf bestanden.
    Mama ist dran.
    »Wir waren gerade auf dem Sprung, aber ich habe deinem Vater gesagt, er soll noch kurz warten. Ich hatte im Gefühl, dass du anrufst.«
    »Du bist die Beste, Mama«, krächze ich in den Hörer.
    »Bist du betrunken?«
    »Nein!« Ich reiße mich zusammen, räuspere mich und versuche, einen seriösen Tonfall hinzukriegen.
    »Wenn sie betrunken ist, setze ich mich ins Auto und hole sie sofort ab!«, höre ich meinen Vater im Hintergrund rufen.
    »Sie ist nicht betrunken, sagt sie«, antwortet meine Mutter.
    »Und warum sagst du dann so was?« Papas Stimme kommt näher.
    »Ich habe das nicht gesagt. Ich habe das nur gedacht, weil sie sich anhört, als wäre sie betrunken.«
    »Ja, aber was soll denn das heißen?«
    »Hallo? Ich bin auch noch da«, schalte ich mich dazwischen. »Und ich bin nicht betrunken!«
    »Geht’s dir gut, Schatz?«, fragt sie.
    Ich kann ihnen natürlich schlecht erzählen, dass ich die Nacht fast nicht geschlafen habe und vor wenigen Minuten bei einem Jungen aus dem Bett gestiegen bin – wobei ich gerade an nichts anderes denken kann. »Also mir geht’s gut. Wirklich. Alle sind sehr nett und wir kriegen viel Essen und saubere Betten und alles was man braucht.« Das ist doch schon eher etwas, das Eltern hören wollen.
    »Wir werden uns einfach immer Sorgen machen, das weißt du doch, selbst wenn du zweiundvierzig bist, selbst dann«, sagt Mama mit so einer sanften Stimme, dass ich sie am liebsten umarmen möchte.
    »Ich weiß. Aber ich komme klar. Wirklich«, beruhige ich sie.
    »Und genieße es.«
    »Was?«
    »Na, das alles! Das hört sich jetzt für dich bestimmt doof an, aber man ist wirklich nur einmal jung.«
    »Danke, Mama.«
    »Du meldest dich wieder?«
    »Ja, bald.«
    Wir legen auf.
    Ich gehe unter die Dusche. Als ich mein Shirt ausziehe, nehme ich Milos Geruch daran wahr. Mir bleibt nichts anderes übrig, als breit zu grinsen, das Shirt fest an meine Nase zu drücken und den Duft in mich aufzusaugen. Ich sehe in den Spiegel und streiche über meine erhitzten, geröteten Wangen, von zu viel küssen und zu wenig Schlaf.
    Heute fahren wir weiter nach Neuruppin, in irgendeine Rock’n’Roll-Kneipe, es wird wieder ein kleineres Konzert.
    Vorher müssen natürlich alle wieder eingesammelt wer den. Dan zum Beispiel. Ich weiß nicht, wohin er gestern mit diesem Mädchen verschwunden ist. Und Linda? Wenn das mal kein Drama gibt.
    Als ich aus der Dusche steige und mich in ein Handtuch wickle, klopft es leise an meiner Tür.
    Ich öffne sie vorsichtig. Draußen steht Milo, er drängt sich durch den Spalt rein, schließt die Tür schnell wieder und lehnt sich gegen sie.
    Wir sehen uns schweigend an.
    »Du bist verschwunden«, sagt er schließlich und greift nach meiner Hand.
    »Ich kann nicht mehr küssen. Unmöglich.«
    »Darf ich dir dein Handtuch wegnehmen?«
    Ich sehe ihm fest in die Augen, öffne den Knoten und lasse das Handtuch zu Boden gleiten. Ohne den Blick von meinem Gesicht zu wenden, streckt Milo seine Hand aus und berührt mich.
    Und schließlich schlafen wir doch miteinander, auf dem unbenutzten Bett, in dem stickigen Zimmer.
    Als wir danach nebeneinander liegen und zur Decke sehen sagt Milo: »Vielleicht können wir das erst mal unter uns lassen.«
    »Das hier?« Ich zeige auf unsere nackten Körper und ziehe dann die Decke über uns beide, weil mir langsam kühl wird.
    »Ich werde es Linda selbst sagen müssen. Ich muss nur den richtigen Moment abpassen.« Er reibt sich über die Augen.
    »Also ist sie doch deine Freundin?« Mein Herzschlag setzt einen Moment lang aus.
    »Ist sie nicht. Auf keinen

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