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Der Einfaltspinsel

Der Einfaltspinsel

Titel: Der Einfaltspinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Sharpe
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jemand etwas Eistee haben wollte. Der Reverend betete im Stillen um geistigen Rat. Die Formulierung »aus den Mündern der jungen Kinder und Säuglinge« traf nicht zu. Dazu waren diese vier furchtbaren Mädchen nicht jung genug. Dennoch musste er tun, was seine Bestimmung war.
    »In der Bibel steht, dass Gott den Himmel und die Erde schuf. 1. Buch Mose 1, Vers 1. Wir alle sind Kinder Gottes …«, begann er. Josephine unterbrach ihn. »Bestimmt hat er einen mächtigen Krach gemacht, der Urknall«, sagte sie, wobei sie das Wort »Knall« irgendwie eigenartig, aber eindeutig schlüpfrig betonte.
    Jetzt reichte es Eva. »Ihr geht sofort auf euer Zimmer!«, schrie sie so zornig, wie sich der Reverend fühlte.
    »Ich will doch nur herausfinden, was Gott ist«, sagte Josephine sanft.
    Mrs. Cooper kämpfte mit widersprüchlichen Gefühlen und entschied sich schließlich für die südstaatliche Gastfreundschaft. »Oh, das ist schon in Ordnung«, flötete sie. »Wir müssen wohl alle erst die Wahrheit erkennen.«
    Das bezweifelte Eva. Tante Joan sah eindeutig so aus, als könne sie auf noch mehr Wahrheit verzichten. Ein Schluck Schnaps wäre ihr bestimmt lieber. Eva wollte nicht riskieren, dass sie einen Schlaganfall bekam.
    »Tut mir Leid«, sagte sie zu den Coopers, »aber die vier müssen auf ihr Zimmer gehen. Ich lasse mir von ihnen keine Unverschämtheiten mehr bieten.«
    Die Vierlinge stapften maulend davon.
    »Offenbar haben Sie in England ein anderes Erziehungssystem«, sagte der Reverend, als sie weg waren. »Und ich habe gehört, es fände als Erstes jeden Morgen eine religiöse Andacht statt. Anscheinend wird dabei nicht aus der Bibel vorgelesen oder so was.«
    »Es ist nicht leicht, vier gleichaltrige Mädchen gleichzeitig großzuziehen«, sagte Eva in dem verzweifelten Versuch, der Katastrophe etwas Gutes abzugewinnen. »Ein Kindermädchen oder so etwas konnten wir uns nie leisten.«
    »Och, ihr Armen«, sagte Mrs. Cooper. »Meine Güte, wie furchtbar. Soll das heißen, sie haben in England kein Hauspersonal? Hätte ich nicht gedacht nach all den Filmen mit Butlern und Schlössern und dergleichen.« Sie wandte sich an Tante Joan. »Dann konntest du wohl von Glück sagen, dass du so einen vornehmen Daddy hattest, Joanie. Einen Lord, der bei der Queen auf Sandrin … in diesem Haus wohnte, von dem du mir erzählt hast, wo sie Enten jagen. Also, da musste er doch einfach einen Butler haben, der ihm die Tür aufhielt und so. Wie hieß der Butler noch gleich, na, der so dick war und Portwein getrunken hat, von dem du uns damals im Country Club erzählt hast, als Sandra und Al ihre Silberhochzeit feierten?«
    Ein merkwürdiges Würgegeräusch von Tante Joan ließ darauf schließen, dass sich ihr Zustand verschlechtert hatte. Der Nachmittag war kein Erfolg. An diesem Abend versuchte Eva zum vierten Mal, Wilt telefonisch zu erreichen. Niemand nahm ab. Eva ging zu Bett und machte kaum ein Auge zu. Jetzt war ihr klar, dass sie nicht hätte kommen dürfen. Wally und Tante Joan war es auch klar.
    »Am besten fahren wir morgen rauf zum See«, sagte er und kippte sich vier Finger breit Bourbon ein. »Dann sind sie aus dem Weg.«
    Doch als die Vierlinge zu Bett gingen, fand Josephine heraus, was Sol Campito zu den Dingen in ihrem Handgepäck gesteckt hatte. Es war ein kleiner versiegelter Gelatinezylinder, dessen Aussehen ihr überhaupt nicht gefiel. Den anderen Mädchen gefiel er auch nicht, und alle schworen, sie hätten ihn nicht da reingetan.
    »Es könnte etwas Gefährliches sein«, sagte Penelope.
    »Nämlich?«, fragte Emmeline.
    »Nämlich eine Bombe.«
    »Für eine Bombe ist es zu klein. Und es ist zu weich. Wenn man es drückt …«
    »Dann lass es bleiben. Es könnte platzen, und wir wissen nicht, was drin ist.«
    »Egal was es ist, ich will’s nicht haben«, sagte Josephine.
    Keine wollte es haben. Schließlich warfen sie es aus dem Fenster, und es landete im Swimming-Pool.
    »Wenn es eine Bombe ist, kann es jetzt keinen Schaden mehr anrichten«, stellte Emmeline fest.
    »Es sei denn, Onkel Wally schwimmt seine morgendlichen Runden. Er könnte in die Luft fliegen.«
    »Geschähe ihm ganz recht. Er hat eine große Klappe«, meinte Samantha nur.

12
    Als Ruth Rottecombe endlich ins Bett kam, war es schon nach sieben Uhr morgens. Sie hatte eine höchst unangenehme Nacht hinter sich. Das Polizeirevier in Oston war alles andere als neu, und wenn es für manche alten Knackis einen gewissen urigen Charme haben mochte,

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