Der Einfaltspinsel
unter Kontrolle zu haben als ihr Gatte.
»Und? Wer war es?«, fragte er, als sie zurückkam.
»Nur die News on Sunday. Sie wollen dich interviewen.«
»Mich? Dieses Drecksblatt? Worüber, verdammt noch mal?«
Mrs. Rottecombe ließ sich Zeit. »Ich glaube, wir sollten erst mal einen Kaffee trinken«, sagte sie und beschäftigte sich am Herd mit dem Elektrokocher.
»Also, Herrgott noch mal, nun red schon. Worüber wollen die mich interviewen?«
Nach einem Moment des Schweigens entschied sie, wo sie zuschlagen wollte. »Nur darüber, dass du junge Männer mit nach Hause bringst.«
Einen Augenblick war Harold Rottecombe sprachlos. Daran war das Wort »nur« schuld. Unglauben kämpfte mit Empörung. Dann brach der Damm.
»Ich habe den Mistkerl nicht ins Haus gebracht, zum Teufel noch mal. Das warst du. Ich habe überhaupt noch nie junge Männer mit nach Hause gebracht. Und außerdem ist er nicht jung, sondern mindestens fünfzig. Ich fasse das nicht. Ich höre wohl nicht richtig. Das kann nicht wahr sein.«
»Ich erzähle dir nur, was der Mann gesagt hat. Er sagte ›junge Männer‹. Und das ist nicht alles. Er hat auch ›Lustknaben‹ erwähnt«, fuhr Mrs. Rottecombe fort, um die Krise zu verschärfen. Das brachte sie aus der Schusslinie.
Dem Abgeordneten traten die Augen aus dem Kopf. Er sah aus, als bekäme er jeden Moment einen Schlaganfall. Dieses eine Mal hoffte seine Frau, dass dem so wäre. Es würde eine Menge komplizierter Erklärungen ersparen. Stattdessen klingelte das Telefon im Flur erneut.
»Diesmal gehe ich ran«, brüllte Harold und stürmte aus der Küche. Eine Weile hörte sie, wie er jemandem, den er bereits ein Arschloch genannt hatte, sagte, er solle sich verpissen und ihn in Ruhe lassen. Dann schloss sie die Tür, goss sich eine Tasse Kaffee ein und überlegte den nächsten Schritt. Harold blieb lange weg. Zurück kam ein geläuterter Mann.
»Das war Charles«, sagte er grimmig.
Mrs. Rottecombe nickte. »Das dachte ich mir schon. Es geht doch nichts darüber, den Parteivorsitzenden des Ortsvereins ein Arschloch zu nennen und zu sagen, er solle sich verpissen. Dabei war es ein so sicherer Sitz.«
Das Parlamentsmitglied für Otterton musterte sie voller Abscheu. Dann besserte sich seine Stimmung kurzzeitig, und er wehrte sich. »Die gute Nachricht ist, dass dein Gespiele Battleby wegen Angriffs auf einen Polizeibeamten angeklagt und inhaftiert bleibt, bis über die schwereren Anschuldigungen, nämlich des Besitzes von pornografischem Material pädophiler Natur und sehr wahrscheinlich Brandstiftung, entschieden wird. Offenbar ist Meldrum Manor letzte Nacht bis auf die Grundmauern niedergebrannt.«
»Ich weiß«, sagte Mrs. Rottecombe kühl. »Ich habe es anschließend gesehen. Aber das ist nicht unser Problem. Im Gefängnis zu sitzen ist für ihn wahrscheinlich eine Art Entziehungskur.«
Wieder klingelte das Telefon. Von der Unbekümmertheit seiner Frau verblüfft, ließ Harold sie rangehen.
»Diesmal war’s der Daily Graphic « , verkündete sie, als sie zurückkam. »Wollten nicht verraten, warum sie dich sprechen möchten, was heißt, dass sie auf derselben Spur sind. Jemand hat ihnen einen Tipp gegeben.«
Mit zitternder Hand goss sich Harold noch einen Brandy ein.
Mrs. Rottecombe schüttelte müde den Kopf. Es gab Gelegenheiten – und dies war so eine –, da fragte sie sich, wie es ein Mann mit so wenig Grips in der Politik so weit bringen konnte. Kein Wunder, dass das Land vor die Hunde gegangen war. Wieder klingelte das Telefon.
»Geh um Himmels willen nicht ran«, bat Harold.
»Natürlich müssen wir rangehen. Man darf nicht annehmen, dass wir uns abschotten. Überlass mir das einfach«, sagte sie zu ihm. »Du schreist nur rum und machst alles noch schlimmer.«
Sie ging wieder zum Telefon, während Harold in sein Arbeitszimmer eilte und den Hörer des Nebenapparats auf dem Schreibtisch abnahm.
»Nein, er ist leider noch in London«, hörte er sie sagen, die gleich darauf erfahren musste, dass der Anrufer, ein Reporter des Weekly Echo, eine andere Informationsquelle hatte und wissen wollte, ob sie etwa Mrs. Rottecombe sei, Frau des Schattenministers für die Verbesserung des sozialen Klimas?
Mrs. Rottecombe antwortete kühl, das sei sie.
»Und um vier Uhr morgens befanden Sie sich in der Gesellschaft eines gewissen Battleby, als die Polizei Peitschen, einen Knebel und Handschellen sowie etliche pädophile S&M-Pornos in seinem Besitz sicherstellte?« Es war
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