Der Einfaltspinsel
ihn dazu bringen loszulassen. Offenbar war Wilfred derselben Ansicht. Er hatte den Knöchel gepackt und war fest entschlossen, ihn nicht wieder herzugeben. Er schüttelte Butchers Bein, er zerrte daran, er schlug die Zähne noch tiefer hinein und kümmerte sich keinen Deut um den Wildlederschuh an Butchers anderem Fuß, der ihn ständig gegen den Kopf trat. Wilfred mochte es sogar, so sanft getreten zu werden. Mr. Rottecombe hatte ihn einmal im Ärger verdammt viel fester getreten, und auch das hatte Wilfred nicht gestört. Butchers Tritte kitzelten ihn nur.
Nachdem sie den Beweis geschaffen hatte, dass ihr Grundstück von den Reportern unbefugt betreten worden war, die nämlich über das verschlossene Eingangstor geklettert waren, kehrte Mrs. Rottecombe von der Straße zurück. Selbst sie bemerkte, dass es an der Zeit war, die Bullterrier zurückzurufen, bevor Wilfred Butcher Cassidys Fuß vom Bein trennte oder der andere arme Teufel auf dem Boden totgebissen wurde.
»Das reicht jetzt«, befahl sie und eilte zur Eiche. Wilfred beachtete sie nicht. Der Knöchel machte ihm zu viel Freude. Mrs. Rottecombe griff zu rigideren Maßnahmen. Sie kannte ihre Bullterrier. Es hatte keinen Zweck, sie auf den Kopf zu prügeln; der Hintern war viel verletzlicher und, was Wilfred anging, viel leichter zugänglich. Mit beiden Händen packte sie das Skrotum des Hundes und wandte mit aller Kraft die Nussknackermethode an. Einen Moment lang knurrte Wilfred nur, doch dann wurde der Schmerz selbst für ihn zu viel. Als er das Maul öffnete, um angemessen zu protestieren, wurde er prompt zu Boden gezerrt.
»Ungezogener Hund, ungezogener Hund«, schalt ihn Mrs. Rottecombe. »Du bist ein sehr ungezogenes Hündchen.«
Für Butcher, der sich inzwischen auf dem Ast befand und bemüht war, sogar noch höher zu klettern, hatten diese Worte etwas Irres. Der beschissene Hund war nicht ungezogen. Er war ein Krokodil in Hundegestalt, eine vierbeinige Menschenfalle, und er würde dafür sorgen, dass man die Bestie schnell und, wie er hoffte, schmerzhaft erledigte.
Mrs. Rottecombe widmete ihre Aufmerksamkeit der Hündin Pickles, die natürlich kein Skrotum besaß. Stattdessen ergriff ihr Frauchen die nächste Waffe, ein Stabetikett, auf dem stand, die Rosen seien von der Sorte Crimson Glory. Nachdem Mrs. Rottecombe sorgfältig Pferdedung und Erde von dem Plastik entfernt hatte (schließlich wollte sie nicht, dass die liebe Pickles Wundstarrkrampf oder eine noch schlimmere Kiefersperre bekam, als sie ohnehin schon hatte), hob sie den Schwanz des Kampfhundweibchens und stach zu. Pickles reagierte sogar noch prompter als Wilfred. Sie ließ Blitzlicht Kid los und schoss quer über das Rosenbeet ins dichteste Dickicht, um ihre Wunde zu lecken. Mrs. Rottecombe steckte den Stab wieder an seinen Platz und widmete ihre Aufmerksamkeit dem schwer mitgenommenen Fotografen.
»Was glauben Sie eigentlich, was Sie hier tun?«, fragte sie arrogant und mit so wenig Besorgnis hinsichtlich seiner Verletzungen, dass es Blitzlicht den Atem verschlagen hätte, wenn er nicht ohnehin schon völlig außer Puste gewesen wäre. Blitzlicht Kid hatte keinen Zweifel, was er hier tat. Er lag im Sterben. Er sah hoch zu der grässlichen Frau und rang sich ein paar Worte ab.
»Helfen Sie mir, helfen Sie mir«, winselte er. »Ich verblute.«
»Blödsinn«, widersprach ihm Mrs. Rottecombe. »Sie machen sich des unbefugten Betretens von Privatbesitz schuldig. Wenn Sie sich entschließen, unbefugt ein Privatgelände zu betreten, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn Sie gebissen werden. Vorne am Tor befindet sich ein Schild, auf dem steht klar und deutlich › Vorsicht bissiger Hund‹. Das müssen Sie gesehen haben. Sie haben es ignoriert und ein völlig harmloses Schoßhündchen angegriffen, und dann tun Sie erstaunt, wenn es sich verteidigt. Sie sind ein Verbrecher. Und was treibt dieser andere Kerl da auf meinem Baum?«
Der Angesprochene verdrehte die Augen. Eine Frau, die dieses mörderische Untier, das ihm beinahe sein Bein abgekaut hatte, ein »harmloses Schoßhündchen« nannte, musste komplett durchgedreht sein.
»Um Himmels willen …«, setzte er an, doch Mrs. Rottecombe wischte sein Gebet beiseite.
»Name und Adresse«, blaffte sie. »Von beiden die Namen und Adressen.« Dann merkte sie, dass sie noch ihren Morgenmantel trug und wandte sich zum Haus. »Und dass Sie mir ja da bleiben, wo Sie jetzt sind«, sagte sie im Gehen. »Ich habe vor, die Polizei zu
Weitere Kostenlose Bücher