Der Einfaltspinsel
und heuchelte Mitgefühl. »Ich sagte nur, keiner wisse, wo er ist.«
»Aber das ist doch das Gleiche, als würde man sagen, er sei verschwunden«, sagte Eva, die dank ihrer häufigen Streitereien von Wilt einiges über Logik gelernt hatte. »Sie meinten, keiner wisse, wo er ist. Aber irgendwer muss es wissen. Er hätte beispielsweise mit den Braintrees in Urlaub fahren können. Haben Sie’s mal bei ihnen probiert?«
Am anderen Ende der Leitung atmete Mavis tief durch. Der Umgang mit Eva war ihr schon immer schwer gefallen, und sie war nicht bereit, sich jetzt von ihr verhören zu lassen.
»Nein«, sagte sie, »habe ich nicht. Aus dem einfachen Grund, dass ich weder ihre Adresse kenne noch weiß, ob sie in Urlaub gefahren sind, und ich werde wohl kaum wissen, wohin sie gefahren sind.«
»Im Sommer mieten sie immer ein Ferienhaus in Norfolk.«
Diesmal atmete Mavis nicht tief durch. Sie schnaubte nur.
»Warum rufen Sie sie dann nicht an?«, blaffte sie.
»Weil ich nicht weiß, wo das Ferienhaus liegt. Ich weiß nur, dass es in Norfolk irgendwo am Meer ist.«
»Norfolk?«, krächzte Mavis. »Wenn Sie wirklich glauben, dass ich die gesamte Küste von Norfolk nach Ferienhäusern absuche … also, das kommt nicht in Frage. Warum rufen Sie nicht die Krankenhäuser und die Polizei an? Die haben meist ein Auge auf Henry. Lassen Sie sich mit der Vermisstenstelle verbinden.«
Alles in allem war es ein höchst unangenehmes und gehässiges Gespräch, das damit endete, dass Mavis den Hörer auflegte, ohne sich zu verabschieden. Eva versuchte es noch mal bei sich zu Hause, hörte aber nur ihre eigene Stimme vom Anrufbeantworter. Eva konnte sich mit niemandem beraten, von den Vierlingen einmal abgesehen, und die wollte sie nicht beunruhigen. Oben hörte sie Tante Joan schnarchen. Sie hatte noch eine Schlaftablette genommen und sie mit Jack Daniel’s runtergespült. Eva ging in die Küche. Da konnte sie sich wenigstens mit Maybelle, dem schwarzen Hausmädchen, unterhalten und ihr ihr Problem erzählen. Doch selbst das half ihr nicht weiter. Maybelle hatte mit Männern sogar noch schlechtere Erfahrungen gemacht als Eva.
»Alle Männer sind gleich. Sobald man ihnen den Rücken zudreht, schießen sie los wie streunende Kater und jagen hinter anderen Röcken her.«
»Aber mein Henry ist nicht so. Er ist … nun ja, anders als andere Männer. Und er ist auf gar keinen Fall schwul, falls Sie das glauben.« Maybelle hatte die Augenbrauen nach oben gezogen. »Er hat halt nicht besonders viel für Sex übrig«, vertraute Eva ihr an.
»Dann muss er anders sein. So einem Mann bin ich in meinem ganzen Leben noch nicht begegnet. Dieser Mr. Immelmann ist jedenfalls nicht so. Vermutlich hat er deshalb so’n schlechtes Herz.« Sie schaute aus dem Fenster. »Da sind diese Männer wieder. Keine Ahnung, weshalb sie die ganze Zeit ums Haus rumschnüffeln. Und Mrs. Joanie hat ihre Stimme verloren oder so was. Kommt runter, holt sich Eiskrem und Brownies und verschwindet wieder in ihrem Zimmer oben, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Schätze, sie ist völlig fertig, weil Mr. Immelmann so krank ist.«
Am See herrschte eine unbeschwerte Stille. Man hatte eine Sondereinheit völlig tauber Veteranen aus dem Golfkrieg zusammengestellt, um den Generator in die Luft zu jagen. Selbst ihnen war die Aufgabe schwer gefallen, und sie hatten sich wie Raumanzüge aussehende Spezialkleidung anziehen müssen, um in die Nähe der Anlage zu kommen. Doch am Ende hatten sie Erfolg. Die Lautsprecher verstummten, und die Drogenfahndung rückte an und nahm die Bude auseinander. Man fand nichts Belastenderes als einen in Wallys Safe versteckten Stapel Pornovideos. Doch als die Fahnder wieder abrückten, sah das Haus aus, als hätten dort Vandalen gehaust.
22
Doch die eigentliche Schlacht sollte bald im Starfighter Mansion in Wilma stattfinden. Als Tante Joanie aus ihrem von Tabletten herbeigeführten Schlaf aufwachte, unbedingt Wally besuchen wollte und zum Krankenhaus fuhr, teilte man ihr mit, er liege auf der Intensivstation und dürfe keinen Besuch empfangen. Dr. Cohen und der zuständige Kardiologe teilten ihr dies mit.
»Er ist zwar bei Bewusstsein, aber sein Zustand wird immer bedenklicher. Wir erwägen, ihn ins Herzzentrum nach Atlanta verlegen zu lassen«, sagte der Kardiologe zu ihr.
»Aber da werden doch Herztransplantationen gemacht!«, kreischte Joanie. »So schlimm kann sein Zustand nicht sein.«
»Wir in Wilma haben hier nur nicht die
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