Der Einfaltspinsel
einen Überblick zu gewinnen, und hatte noch etwas gesehen, das ihr Angst machte: zwei uniformierte Polizisten in dem Feld jenseits der alten Steinmauer. Sie versteckten sich nicht einmal, sondern zeigten ihr ganz deutlich, dass sie observiert wurde. Aber warum? Es musste mit dem zu tun haben, was die Kriminaltechniker auf dem Boden der Garage gefunden und in Plastiktüten weggebracht hatten. Ihr fiel keine andere Erklärung ein. Von der Kopfwunde des Mannes blutbefleckte Erde. Das musste die Antwort sein. Sie verfluchte sich, weil sie den Boden nicht geschrubbt hatte. Als die Sonne allmählich im Westen unterging, saß die ruchlose Ruth im Arbeitszimmer ihres Mannes und überlegte, was zu tun war. So ziemlich das Einzige, was ihr einfiel, war, Harold die Schuld in die Schuhe zu schieben. Schließlich hatte sein Jaguar über dem Fleck aus Öl und Blut geparkt, und nichts deutete darauf hin, dass sie ihn dorthin gefahren hatte.
Gerade war sie zu diesem Schluss gekommen, als sie hörte, wie ein Automobil die Auffahrt hinaufkam. Es war nicht der übliche Einsatzwagen, sondern ein Krankenwagen. Was zum Geier machte ein Krankenwagen vor ihrem Haus? Und wo um alles in der Welt waren Wilfred und Pickles? Normalerweise liefen sie in den Flur, wenn ein Auto vorfuhr. Sie entdeckte die beiden in ihren Körben in der Küche, tief schlafend. Ruth stupste sie mit dem Fuß an, doch die Hunde rührten sich nicht. Das war seltsam, doch ehe sie etwas tun konnte, um sie zu wecken, hatte der Krankenwagen in der Auffahrt gewendet und bis zur Haustür zurückgesetzt. Einen Augenblick lang dachte Ruth Rottecombe, sie hätten bestimmt Harold gefunden. Kaum öffnete sie die Tür, als sie auch schon von zwei als Krankenschwestern verkleideten stämmigen Polizistinnen in den hinteren Teil des Krankenwagens gedrängt und mit dem Gesicht nach unten auf eine Trage gepresst wurde. Vier Polizeibeamte hatten das Haus betreten und kehrten bald darauf zurück, die immer noch tief schlafenden Bullterrier in ihren Körben tragend. Die beiden gesellten sich zu ihrem Frauchen. Ruth versuchte sich umzudrehen, aber vergeblich.
»Wo sind die Schlüssel für den Volvo?«, fragte eine Frau.
»Weiß nicht«, versuchte Ruth zu schreien, doch weil ihr Gesicht gegen das Tuch gedrückt wurde, waren ihre Worte nicht zu verstehen.
»Was hat sie gesagt?«
Sie hoben kurz den Kopf hoch, und diesmal nannte Ruth sie verfluchte Dreckschlampen, bevor sie wieder nach unten gedrückt wurde.
»Keine Bange. Ich finde sie schon«, sagte die Sergeantin namens Helen und nahm ihr Walkie-Talkie. »Sorgt nur dafür, dass das Tor aufgeht, wenn ich in dem Volvo angefahren komme, und räumt die Meute aus dem Weg. Ich fahre gern zügig.«
Als die Hecktüren des Krankenwagens zugeschlagen wurden, betrat sie das Haus, und der Krankenwagen machte sich im Eiltempo aus dem Staub. Zehn Minuten später tauchte sie wieder auf, Ruth Rottecombes Rock und Twinset in den Händen. Sie hatte die Schlüssel des Volvo und raste kurz darauf davon, wobei sie am Tor beinahe einen Reporter erwischt hätte. Während er beiseite sprang, bog sie links ab und nahm eine Nebenstraße nach Oston.
»In welche Klinik fahren sie?«, fragte ein Kameramann, der in eine Hecke geflüchtet war, einen der Polizisten am Tor.
»Blocester, würd ich sagen. Da kommen die Notfälle hin. Eine andere Möglichkeit gibt’s nicht. Man biegt auf der Hauptstraße rechts ab«, sagte er und brachte ein Vorhängeschloss an dem Tor an. Die Medienmeute lief zu ihren Autos und nahm die Verfolgung auf. Das führende Fahrzeug wurde zwei Kilometer weiter von einem Streifenwagen angehalten und dem Fahrer mit einer Anzeige wegen rücksichtslosen Fahrens gedroht. Hinter ihm kamen die anderen Wagen schlitternd zum Stehen. Zwei Kilometer weiter vorn bog der Krankenwagen links ab, wurde langsamer und wartete in einer Parkbucht auf den Volvo. Als der Reporterpulk an die Kreuzung kam und Richtung Blocester fuhr, war Ruth Rottecombe in den Volvo umgeladen worden. Und im Polizeirevier von Oston brachte man sie in eine Zelle, in der vorher ein Besoffener gehaust und am vorigen Abend gekotzt hatte. Der Raum roch nach Erbrochenem. Ruth war auf die an den Fußboden geschraubte Metallpritsche gesackt, den Kopf zwischen den Händen, und starrte zu Boden. Draußen hatte der leere Krankenwagen gewendet und näherte sich mit normaler Geschwindigkeit Blocester. Nach drei Stunden brachte man sie in das Büro des Hauptkommissars, wo sie Aufklärung
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