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Der einsame Baum - Covenant 05

Der einsame Baum - Covenant 05

Titel: Der einsame Baum - Covenant 05 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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sein mochten, gegenwärtig machten sie es nicht erforderlich, die Gefährten zu hintergehen.
    Er geleitete die Gruppe durch das Rund des Reichtums direkt hinauf ins Rund der Hoheit. Als Linden den Audienzsaal betrat, fand sie alles so vor, wie es gewesen war, als man die Gefährten dem Gaddhi vorgestellt hatte: rundherum standen Dutzende von Wächtern an den Wänden; alles Licht war auf die hohe Kanzel gerichtet. Nur der Hofstaat fehlte. Angesichts der Abwesenheit der Höflinge fiel Linden auf, daß sie seit dem gestrigen Tag keinen von ihnen mehr zu sehen bekommen hatte. Lindens Anspannung wuchs. Gingen die Höflinge lediglich absehbarem Ärger aus dem Weg, oder war ihnen befohlen worden, sich fernzuhalten, damit sie Kasreyns Machenschaften nicht störten?
    Der Caitiffin sprach mit einem der Hustin und erhielt eine Antwort, die ihn merklich erleichterte. Er wandte sich mit einem Lächeln zu den Gefährten um. »Es beliebt dem Gaddhi, euch zu einer Unterredung zu empfangen.«
    Sowohl Linden wie auch die Erste brauchten jeder einen Moment, um sich insgeheim nochmals in ihrer Gefaßtheit zu bestärken. Dann folgten sie Rire Grist über die runden Steinplatten des Fußbodens hinüber zur Kanzel. Im Helligkeitskreis blieben sie neben ihm stehen. Die Kanzel ragte in all ihrer Pracht in die Lichtfülle empor, als wäre sie für Bhrathairealm ein glaubwürdigerer Souverän als Rant Absolain selbst. Der Gaddhi war nicht da.
    Doch nach einigen Sekunden der Verzögerung kam er aus dem Schatten hinter seinem Thronsitz zum Vorschein. Er war allein, weder von seinen Frauen noch vom Wesir begleitet. Und er war nervös. Linden spürte, wie ihm die Knie schlotterten, als er zu seinem Thron hinaufstieg.
    Rire Grist sank auf ein Knie nieder. Linden und die Riesin ahmten die Ehrerbietigkeitsbekundung achtlos nach. In ihrer Angespanntheit hätte Linden am liebsten Brinn und Cail, Hohl und Findail angefahren, sie sollten das gleiche tun; aber sie hielt sich zurück. Sie beobachtete Rant Absolain, während er durch die Helligkeit klomm, um auf seinem Thron Platz zu nehmen. Er hatte seine formelle Kleidung abgelegt und trug so etwas wie ein leichtes Gewand, einem Nachthemd gar nicht unähnlich. Unter dem Gewand allerdings war seine inwendige Verfassung ziemlich trüb. Eindeutig hatte er gehörig getrunken. Der Wein machte seine Emanationen verschwommen.
    Sobald er saß, erhoben sich Linden und die Erste, ohne seine Erlaubnis abzuwarten. Die anderen Riesen und Rire Grist richteten sich ebenfalls auf. Seeträumer hielt Ceer wie in wortloser Anklage ans Licht.
    Rant Absolain blinzelte auf die Gefährten herab, sagte jedoch nichts. Er schob die Zunge im Mund umher, als wäre sein Gaumen von Durst trocken. Die Wirkung des Weins verschleierte seinen Blick, er zwinkerte und verkniff die Augen so fest, daß ihm schließlich die Schläfen zu schmerzen anfingen.
    Wie aus Rücksicht auf seine Verfassung bewahrte die Erste noch einen Moment lang Schweigen. Dann tat sie einen Schritt nach vorn, verneigte sich förmlich und begann zu sprechen. »O Gaddhi, groß ist die Ehre, welche du uns erweist, indem du uns gnädig Gehör schenkst. Wir sind deine Gäste und wünschen eine Gunst von dir zu erflehen.« Sie hüllte die gewohnte Schärfe ihrer Stimme in einen samtweichen Tonfall. »Uns hat die Nachricht erreicht, daß unser Schiff mit frischen Vorräten ausgestattet, so wie du es in deinem Wohlwollen befohlen hast, und man hat es wieder seetüchtig gemacht. O Gaddhi, die Suche, die uns über die Meere führt, ist dringlicher und bedeutsamer Natur. Daher wagen wir uns dir mit der Bitte zu nahen, uns aus deiner Gastfreundschaft zu entlassen, auf daß wir die Fahrt von neuem aufnehmen, um unseren Zweck zu verfolgen und Ehre und Ruhm deines Namens in alle Welt zu tragen.«
    Sie sprach in versöhnlichem Ton; aber ihre Worte jagten Rant Absolain Bestürzung ein. Er schrak gegen die Thronlehne zurück. Seine Hände umklammerten die Armlehnen, als wolle er ihnen eine Antwort entpressen, die sie nicht geben konnten. Nein , raunten seine Lippen lautlos, während er zu klären versuchte, wie er reagieren sollte. Nein. Linden verspürte eine Anwandlung von Mitleid für ihn; doch sie genügte nicht, um das Band zu lockern, das sie an ihre Entschlossenheit fesselte. Endlich räusperte er sich, um die Verödung seiner Kehle zu mildern. »Die Fahrt aufnehmen?« Er konnte nicht verhindern, daß seine Stimme brüchig klang. »Das kann ich nicht gestatten. Ihr habt in

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