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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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nicht, weil dabei mein Fahrrad umgefallen wäre. Also suchte ich nach einem passenden Fluch in meinem Kopf, konnte aber angesichts dieser Miesere nichts Angemessenes finden und so entschloss ich mich, lieber nach der zuständigen Landkarte in meiner Lenkradtasche zu wühlen. Das erübrigte sich dann glücklicherweise, denn mein Begleiter hatte zu mir zurückgefunden und zeigte mir den rechten Weg.
    »Da entlang,« sagte er. »Da geht' s nach Bad Cannstadt zum Campingplatz. Sie können aber auch bei mir übernachten. Ich habe ein Haus und genügend Platz.«
    Das kam überraschend. Im ersten Moment erschien es mir auch verlockend.
    Dann aber kamen mir Bedenken. Als Gast würde ich Rücksicht nehmen müssen. Er hatte bestimmt Gewohnheiten, musste wahrscheinlich morgens pünktlich zu seiner Druckerei, und was weiß ich noch alles, was meine Freiheit und Unabhängigkeit - wenn auch zeitlich begrenzt - einschränken konnte. Und um Freiheit und Unabhängigkeit ging es mir doch im Grunde genommen bei dieser Fahrt. Es ging nicht um das Erreichen eines geographischen Ziels oder eine sportliche Leistung. Auch das Knüpfen eines Netzwerkes für eventuelle spätere Aktivitäten stand nicht auf meiner Agenda. So wohlmeinend und liebenswürdig dieses Angebot war, ich musste einen diplomatischen Weg finden, um es abzulehnen. Ich fing an zu grübeln. Wie sollte ich das jemandem erklären? Ohne ihn vor den Kopf zu stoßen? Ohne die Hintergründe aufzulisten?
    Seine Stimme unterbrach meine Gedanken.
    »Doch lieber der Campingplatz?«
    »Ja.«
    Ich war erleichtert. Wir Ritter der Radwege verstehen uns auch ohne Worte. Selbst wenn wir andere Motive vorgeben, im Grunde suchen wir alle das Gleiche und im Unterbewusstsein wissen wir das auch. Empathie ist da eine selbstverständliche Folge.
    Ein Blick zur Seite in das lächelnde Gesicht meines Begleiters zeigte mir, wie recht ich hatte.
    Bald darauf verließ er mich auf einem Nebenweg und ich genoss die Fahrt am Neckar entlang. Die noch grünen Halme des Schilfs waren von Wicken umwunden, welche die weißen Monroe-Röckchen ihrer Blüten im aufkommenden Abendwind fröhlich flattern ließen. Die Masse der Radfahrer hatte ich hinter mir gelassen. Die Sonne hatte ihr Gleißen verloren und tauchte die Landschaft in ein goldenes Licht. Die quälende Hitze verlor ihre sadistischen Züge und gab sich sanft und schmeichelnd.
    »Es sind noch 28 km bis zum Cannstadter Wasen.« erklärte mir ein Spaziergänger, neben dem ich kurz angehalten hatte.
    »Zu viel?«
    Ich schüttelte den Kopf. Das war keine große Entfernung mehr für mich.
    Der Campingplatz kam mir riesig vor. Mit einer Fläche von 17000 m² war er das wohl auch. Die Zeltwiese lag etwas entfernt von der Wohnwagenstadt auf einer kleinen Anhöhe. Ich fand einen guten Platz mit freiem Blick auf das Gelände unter mir. Dort lag ich dann, nach einer heißen Dusche, vor dem Zelt, den Inhalt einer Dose Kartoffelsuppe im Bauch und genüsslich an einer Tafel Schokolade knabbernd, als sich der getreue Heiko an meinem Handy meldete. Wir konnten nur ein paar Worte wechseln. Dann war der Akku leer. Ich musste also zur Rezeption und ihn über Nacht aufladen lassen. Und weil ich nun schon einmal hier unten war, genehmigte ich mir noch ein Weizen. Flüssigkeitsbedarf war nach diesem heißen Tag mehr als genug vorhanden.
    Eigentlich war das Handy nur für den Notfall gedacht. Also - wenn das Haus abbrennen sollte oder eine nur von mir zu fällende dringende Entscheidung verlangt würde. Aber Heiko, der auf irgendeine Weise an meine Nummer gekommen war, zeigte sich von einer derart positiven Neugier und Faszination, dass ich ihn nicht durch das plötzlich abgebrochene Gespräch vor den Kopf stoßen wollte. Von meinem Platz unterm Sonnenschirm konnte ich eine Telefonzelle sehen. Heikos Nummer hatte ich nicht. Ich rief also Edgar an und bat ihn, Heiko den Grund für das abgebrochene Gespräch mitzuteilen.
    Danach verkroch ich mich in meinem Zelt.
    Ich schlief tief und fest. Im Traum fuhr ich wieder einmal im Kajak die wilden Stromschnellen der Ardèche in Südfrankreich hinab. Der Wasserstand war niedrig. Vor mir tauchten ein paar flach geschliffene Felsen im Flussbett auf. Die Strömung trieb mich direkt darauf zu. Ich versuchte etwas näher ans Ufer zu paddeln, um ungeschoren daran vorbei zu kommen. Plötzlich ein harter Ruck. - Verdammt! - Ich war auf Grund gelaufen. Ich saß fest! Hoffentlich hatte das Boot kein Leck bekommen. Das wäre schlimm. Das

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