Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)
durfte nicht sein. Erschrocken fuhr ich hoch, kam langsam zu mir, rieb mir die Augen, nahm meine Umgebung wahr.
Ich saß nicht im Boot. Ich saß im Zelt. Da waren auch keine rauschenden Wassermassen um mich herum. Da war nur das Rascheln des Windes in den Blättern der Bäume über mir. Aber der Ruck war real gewesen. Fest saß ich auch. Allerdings nicht auf einer Untiefe, sondern auf meinem Hintern. Ziemlich hart sogar, auf einer Wurzel, die sich äußerst unangenehm unter der Luftmatratze krümmte. - Was heißt hier Luftmatratze?! - Das hier, war nur noch eine schlappe gummierte Matte mit Restluftgehalt und zufallsgesteuerter Weckfunktion.
Diese Funktion gab sie auch in den nächsten Wochen nicht auf, sodass ich mich zu regelmäßigen, nächtlichen, schlafberaubten, aber sicherlich sehr gesunden Atemübungen genötigt sah, denn dieses sündhaft teure, weil zu Taschenbuchgröße zusammenfaltbare Ding versuchte von jetzt an, jedes Mal im Morgengrauen, den Dienst aufzusagen und verlangte nach Mundbeatmung, um in einen tragenden Zustand zurückgeführt zu werden.
Da ich der Ursache dieses Verlangens im Augenblick nicht auf den Grund gehen konnte, kam ich ihm nach und versuchte durch tiefe Zwerchfellatmung und mental positiv aufgeladenes Pusten die wesentliche Aufgabenbewältigung der Schlafunterlage wieder herzustellen. Und siehe da! - Es gelang. Ich konnte den Rest der Nacht traumlos und ungestört, mittelweich gelagert verbringen.
Siebzehnter Tag
Auch am Morgen und später konnte ich nicht klären, ob ein unsichtbares Löchlein oder vielleicht, der nicht dauerhaft dichtende Stöpsel mich zu diesen Atemübungen zwang. Ich fand mich also damit ab und freute mich nach entsprechenden Anstrengungen jedes Mal über ein paar nachfolgende Stunden Schlaf und hoffte auf die, nach esoterischen Gesichtspunkten zu erwartende, Bewusstseinserweiterung. Die hat sich allerdings nicht bemerkbar gemacht.
Bemerkbar machte sich dagegen schon früh am Morgen die zu erwartende Hitze dieses vorzeitigen Hochsommertages. Ich frühstückte also, packte meine Sachen, holte mein Handy, bezahlte und machte mich auf den Weg.
Aber wo war dieser Weg? Meine Fahrradkarten waren verbraucht und die inzwischen erworbene Autofreizeitkarte ziemlich am Ende. Auf dieser Grundlage führte der Weg also zwangsläufig häufig in die Irre. Ich fand zwar immer wieder einmal zu der auf meinem Routenplan ausgedruckten Strecke zurück, verlor sie aber auch gleich wieder und musste mich zurückfragen, ohne dabei wesentlich voranzukommen. Schließlich beschloss ich, mich in Zukunft nur noch an erreichbaren Campingplätzen zu orientieren. Am späten Nachmittag traf ich neben der Landstraße einen alten Mann, der mir erzählte er wäre 68 Jahre alt und das, was ich da gerade machen würde, nämlich eine Reise mit dem Fahrrad, ja, genau das wäre auch sein größter Traum. Dann meinte er, der nächste Campingplatz wäre der bei Urach. Ich müsse da vorne nur nach links abbiegen und der Straße folgen. Nach Urach ginge es ganz bequem stetig bergab.
Zunächst aber ging es durch eine hölzerne Barriere auf den Radweg. Dabei unterschätzte ich die Breite meiner Packtaschen, blieb hängen und stützte mich mit dem Unterarm auf dem seitlichen Geländer ab. Das tat nicht besonders weh. Wie sich aber herausstellte, nachdem ich entgegen der Behauptung des alten Mannes zuerst ca. fünf Kilometer steil bergauf geschoben hatte und bei einer kleinen Verschnaufpause Zeit fand, den immer noch leicht schmerzenden Arm zu betrachten, hatte mir ein Holzspan einen millimeterbreiten etwa 20 cm langen Streifen aus der oberen Hautschicht geschnitten. Die Wunde blutete zwar nicht, aber sie nässte leicht. Ich beschloss also sie nicht abzudecken, sondern vom heißen Fahrtwind trocknen zu lassen. Denn von nun an ging es wirklich nur noch bergab.
Am Campingplatz erwartete mich eine weitere unangenehme Überraschung. Mein Verlangen nach einem Bier wurde abschlägig beschieden.
»Die Gaststätte hat heute Ruhetag.« Der junge Mann in der Anmeldung musterte mich mitfühlend. Er holte tief Luft, gab sich einen deutlich sichtbaren Ruck und sagte:
»Ich kann Ihnen höchstens mein Bier geben. Ich habe noch eine Flasche.« Er griff nach einer Flasche, die neben ihm auf dem Tresen stand, schien aber verunsichert. Sein Blick wanderte unruhig von mir zu seiner Flasche und wieder zurück. Seine Finger lösten sich langsam von dem Flaschenöffner, den er schon die ganze Zeit in der linken
Weitere Kostenlose Bücher