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Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition)

Titel: Der einsame Radler: Auf dem Weg von Bremen zum Bodensee (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Günter W. Hohenester
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mit dem anderen überhaupt nichts zu tun.«
    »Sind Sie sicher?« Er ereiferte sich fast. »Sie sollten es aber schreiben. Das wäre bestimmt interessant. Ich würde es gerne lesen wollen.«
    Ich schüttelte den Kopf. Das kam gar nicht infrage. Ein Buch würde ich niemals über diese Tour schreiben. Ich wollte sie nur erleben und ein paar Erinnerungen bewahren - für mich ganz alleine.
    Die Nacht hatte ihre Arbeit am Horizont beendet und war zur Dunkelheit geworden. Der Wind frischte auf. Er brachte Kühle.
    Wir zogen uns auf die Zeltwiese zurück. Dort standen wir noch eine Weile herum und redeten über dieses und jenes, bis ich feststellte, es wäre an der Zeit in die Zelte zu kriechen.
    »Ja,« stimmte er zu. »Ich will morgen ganz früh los. Ich muss unbedingt einen günstigeren Platz suchen.«
    Wir verabschiedeten uns voneinander und wünschten uns: »Gute Fahrt und viel Glück.«

Neunzehnter Tag
    Meine Socken hingen noch auf der Leine. Der Tau hatte sie durchnässt. Der junge Mann war weg. Ich hielt die Ereignisse der letzten Tage auf dem Kassettenrecorder fest. Heute würde ich den Bodensee erreichen. Da war ich mir ganz sicher.
    Die Sonne brannte vom Himmel. Es würde wieder ein heißer Tag werden. Die Socken waren schnell getrocknet. Ich schob mein bepacktes Rad über die Wiese, den Wohnwagen und dem Ausgang entgegen. Da stürzte ein Mann auf mich zu. Ein Grauhaariger. Er blieb vor mir stehen.
    Ob ich zum Bodensee wolle?
    »Ja.«
    »Das sind noch gut 80 Kilometer.«
    »So.«
    »Das schaffen Sie.« Es verbarg sich eine Frage in der Feststellung. Er betrachtete mich mit Wohlwollen und ein wenig Skepsis.
    »Sicher.« Ich zuckte die Achseln.
    Jetzt wurde er lebhaft. Er wäre zwar mit dem Wohnwagen hier, aber eigentlich würde er lieber Touren mit dem Fahrrad machen. Am Bodensee wäre er auch schon gewesen mit dem Fahrrad. Auch auf der anderen Seite. Da hätte er sich allerdings mit der Fähre übersetzen lassen. Die Anfahrt hätte er mit dem Zug gemacht. Und eigentlich suche er einen Partner für solche Touren.
    »Aha.«
    Hatte ich es doch befürchtet, dass da ein zwischenmenschliches Problem auf mich zu kam, das viel diplomatisches Geschick verlangen würde, um nicht in einer Kränkung zu münden. Ich fühlte mich nicht als rekordsüchtiger Fahrradtourist. Ich sah mich mehr als Aussteiger auf Zeit. Ich suchte keinen Partner. Ich suchte Freiheit, Unbekümmertheit - ja, auch Verantwortungslosigkeit. Ein Partner würde das alles infrage stellen.
    Er unterbrach meine Befürchtungen.
    »Ich lebe im Rheinland. Und Sie?«
    »Ich komme aus Bremen.«
    »Ach.«
    Es klang irgendwie irritiert. Die hanseatisch steifen Bremer hatten bei Rheinländern wohl keinen besonders guten Ruf.
    Von den Campingwagen tönte eine Frauenstimme herüber:
    »Wo bist du?«
    Er drehte sich zu ihr um.
    »Ich komme.«
    Plötzlich hatte er es sehr eilig.
    Das war noch einmal gut gegangen. Da hatte ich noch einmal Glück gehabt.
    Dieses Glück blieb mir den ganzen Tag über treu.
    Ich fuhr über sanfte Hügel immer nach Süden. Ich schwitzte mich die Steigungen hinauf und fand bei den Abfahrten Kühlung. Gegen Mittag ließ der Verkehr nach. Ich nutzte die Gelegenheit das Rad einmal richtig bergab sausen zu lassen und kam auf 40 km/h. Nicht schlecht, mit dem vielen Gepäck.
    Irgendwo wandelte sich die Bundesstraße zu einer Schnellstraße. Ich musste mir einen anderen Weg suchen und kam auf eine schmale, viel befahrene Landstraße. Es war Nachmittag geworden und ich bekam Appetit. Eine Brotzeit zu machen hatte sich zu einem festen, täglichen Ritual entwickelt. Brötchen und Wurst hatte ich immer dabei. Für einen Bayern gehört das nun einmal zur rechten Lebensart. Auf Bier verzichtete ich allerdings tagsüber lieber. Bier macht müde und auf dem Fahrrad schläft man nicht besonders komfortabel. - ganz abgesehen von einem gewissen Unsicherheitsfaktor.
    Auf einem Höhenrücken fand ich eine Abzweigung. Ich nahm die Gelegenheit wahr von der Straße weg zu kommen und suchte mir einen Rastplatz.
    Zwischen hohen Bäumen tat sich ein weiter Blick auf eine schier endlose, von flachen, bewaldeten Hügeln gesäumte Ebene auf. Ein riesiges Feld mit grünem Getreide füllte sie aus. Ganz am Ende, schon verblassend in der Ferne, da sah ich ihn plötzlich; ihn, der sich vom Vorwand, wenigstens vorübergehend, zum Ziel erhoben hatte. Da lag er. Er war kein Traum mehr, kein blauer Fleck auf der Landkarte. Er hatte sich realisiert, war Wirklichkeit geworden. Ich

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