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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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jüngsten Entdeckungen aus den amerikanischen Labors. Wie war es möglich, dass diese riesige, reiche Nation wegen eines kleinen, hinterlistigen Landes wie der Iran besorgt war oder sich auch nur dafür interessierte? Vielleicht konnten die Amerikaner ihm das ja erklären. Er schloss die Augen und stellte sich vor, in einem Flugzeug zu sitzen und irgendwohin weit wegzufliegen. Nach Deutschland vielleicht. Das deutsche Mädchen fiel ihm wieder ein, mit dem er an derUniversität in Heidelberg befreundet gewesen war. Eva. Sie hatte sehr große Brüste gehabt. Warum hatte er sie bloß nicht berührt, als sie es ihm angeboten hatte? Dass sie, wie er inzwischen wusste, Jüdin gewesen war, verstärkte ihre Anziehungskraft nur noch.
    Molavi öffnete die Augen wieder. Der Vormittag war fast verstrichen. Er hustete so heftig, dass ihm der Hals davon wehtat. Was konnte er sonst noch tun, um seine Spuren zu verwischen? Er rief seinen Vetter Hussein an, den einstigen Offizier der Revolutionsgarden, und schlug ihm vor, sich in der kommenden Woche zum Abendessen zu treffen. Warum nicht?, erwiderte sein Vetter und nannte ihm einen möglichen Termin. Er klang abwesend. Wahrscheinlich hatte er bereits die erste Opiumpfeife geraucht.
    «Bashe?»
, fragte Molavi ihn. Geht es dir gut? Das wirkte freundlich. Wer immer seine Telefonate abhörte, würde jetzt denken, dass er vorausdachte und Pläne hatte, sich um seinen unglücklichen Verwandten zu kümmern, dem die Pasdaran so übel mitgespielt hatten.
     
    Jackies iranischer Galan traf an diesem Morgen schon früh im Hotel Aziz ein, um sie abzuholen. Sie kam nach unten und schlang zur Begrüßung die Arme auf eine Weise um ihn, die dem Empfangschef und dem Pagen die Schamesröte ins Gesicht trieb. Dann teilte sie dem Empfangschef in ihrem melodischen, deutsch gefärbten Englisch mit, dass sie ihr Zimmer für ein paar Tage verlassen werde. Ihr Freund wolle mit ihr nach Isfahan, in die schöne Stadt in der Mitte des Landes, die Heimat seiner Vorfahren. Ihr Gepäck werde siegrößtenteils im Hotel lassen und auf der Rückreise wieder abholen. Sie zog einen Packen Hundert-Dollar-Scheine aus ihrer großen Handtasche, zählte zweitausend Dollar ab, um die bisherige Rechnung zu begleichen, die nicht einmal die Hälfte des Betrags umfasste, und bat den Empfangschef, ihr die Suite bis zu ihrer Rückkehr frei zu halten.
    Der Empfangschef protestierte zunächst, er könne so viel Geld unmöglich akzeptieren, nahm es dann aber doch bereitwillig entgegen. Der Page lud zwei Louis-Vuitton-Taschen in den Kofferraum des Mercedes des iranischen Freundes, zwei weitere wurden eingelagert. Dann stieg das Paar in das elegante, nagelneue Cabrio. Der Iraner öffnete das Verdeck, und als er losfuhr, wehte der Fahrtwind Jackies Kopftuch herunter, und für einen Moment erblickte man ihr blondes Haar in all seiner seidigen Pracht.
     
    Molavi holte sich sein Mittagessen bei einem Kebabstand auf der anderen Straßenseite und kehrte damit an den Schreibtisch zurück. Inzwischen sah er so elend aus, dass selbst der Sicherheitsbeamte an der Tür, ein bulliger Kerl mit einem vernarbten Gesicht, ihm empfahl, er solle doch lieber nach Hause gehen und sich ausruhen. Später vielleicht, erwiderte Molavi.
    Sie würden alle erleichtert sein, wenn er morgen nicht zur Arbeit kam. Jetzt achtet er wenigstens mal auf sich, würden sie sagen, und bleibt uns mit seinen Bazillen vom Leib. Falls sie ihn anriefen und zu Hause nicht erreichten, würden sie denken, dass er beim Arzt sei oder vielleicht sogar im Krankenhaus. Danach war Freitag, und das muslimische Wochenendebegann. Es würde fast eine Woche dauern, bis man ihn vermisste.
    Molavi blieb bis kurz vor drei an seinem Schreibtisch. Dann knöpfte er sich die Jacke bis zum obersten Knopf zu, als wäre ihm kalt, nahm seine Aktentasche und verließ das Büro. Vor Doktor Bazargans Zimmer blieb er noch einmal stehen, doch der Direktor war nicht da, und so sagte Molavi der Sekretärin, dass er sich jetzt wirklich krank fühle und nach Hause gehen werde. Die Sekretärin riet ihm, zum Arzt zu gehen, und Molavi erwiderte, wenn es morgen nicht besser sei, werde er das auch tun. Mit schleppenden Schritten ging er durch die Eingangshalle, vorbei an der Empfangsdame, die ihn ebenfalls mit einem mitleidigen Blick bedachte, als er langsam das Gebäude verließ.
     
    Ein Polizist hielt den Mercedes an, als Jackie und ihr Begleiter gerade die Resalat-Schnellstraße entlangbrausten: ein

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