Der Einsatz
die nur dann einen Sinn ergaben, wenn er tatsächlich mehr wusste als Harry selbst.
Karim Molavi saß in einem behaglichen Wohnzimmer, als Harry und Adrian eintrafen. Er trank Tee und blätterte in der neuesten Ausgabe des
Scientific American
, die zusammen mit weiteren wissenschaftlichen Zeitschriften auf dem Couchtisch lag. Er war allein im Zimmer. Jackie und ihre Jungs hatten sich in einen anderen Teil des Hauses verzogen, um sich auszuschlafen, etwas zu essen oder ein paar Schießübungen zu machen.
Adrian schaute durchs Schlüsselloch in das Zimmer, wo der Iraner saß, und berichtete, der junge Mann wirke recht aufgeräumt. Sie waren übereingekommen, dass Harry die Befragung zunächst allein übernehmen sollte. Hinter Molavi, auf der anderen Seite der großen Panoramafenster, sah man die Gipfel des Gebirges, das ihn von seiner Heimat trennte.
Harry Pappas betrat das Zimmer. Zum ersten Mal sah er nun den Mann vor sich, der bis dahin nur eine Mailadresse für ihn gewesen war. Molavi war kräftiger und jünger, als er erwartet hatte. Er hatte ein dunkles, ebenmäßiges Gesicht, eine markante Nase und dichtes schwarzes Haar und die Ausstrahlung eines Intellektuellen: selbstsicher, ruhig und zurückhaltend. Das einzig Rätselhafte blieb, weshalb er alles aufs Spiel gesetzt hatte, um mit den Amerikanern in Kontakt zu treten.
«Ich heiße Harry», eröffnete Harry das Gespräch, «und ich arbeite für die CIA. Die Nachrichten, die Sie an uns geschickt haben, sind bei mir eingegangen, und ich bin im Auftrag der U S-Regierung für Ihren Fall verantwortlich. Es ist mir einegroße Freude und Ehre, Sie endlich persönlich kennenzulernen.»
Er gab Molavi die Hand, der den Händedruck sanft, fast zärtlich erwiderte.
«Vielen Dank, Sir», sagte der junge Iraner. Sein Englisch war gut, die Stimme weich und bedächtig.
«Sind Sie zufrieden? Haben Sie alles, was Sie brauchen?»
«O ja, Sir. Die Leute, die mich gerettet haben, waren wunderbar. Ich dachte, so etwas gibt es eigentlich nur im Film. Es waren Engländer, glaube ich.»
«Ja. Die Briten unterstützen uns in dieser Sache. Nachdem Sie uns kontaktiert hatten, haben wir Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt, um Sie zu finden und Sie da rauszuholen.»
«Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll, Sir. Sie sind aus so weiter Ferne gekommen und haben mich unter Ihre Fittiche genommen, als wären Sie ein großer Vogel und ich Ihr Küken.»
«Nun, mein Sohn, jetzt sind Sie ja hier. Und wir müssen uns dringend unterhalten.»
Eigentlich hatte Harry nicht vorgehabt, «mein Sohn» zu ihm zu sagen. Es war ihm einfach herausgerutscht, aber es fühlte sich richtig an.
«Ja, Sir. Natürlich.»
«Sind Sie bereit dazu? Wollen Sie vorher vielleicht noch etwas essen?»
«Nein danke, Sir. Ich habe bereits gefrühstückt. Ein sehr gutes Frühstück.»
«Sagen Sie doch nicht immer ‹Sir› zu mir», meinte Harry lächelnd. «Ich bin hier als Ihr Freund und Berater, nicht alsIhr Vorgesetzter. Wenn Sie sich unwohl fühlen, können Sie jederzeit gehen.»
«Ich fühle mich bestens, Sir. Und wo sollte ich denn auch hingehen? Mit Verlaub, aber so dumm bin ich nicht. Stellen Sie mir Ihre Fragen, ich bin bereit.»
Wie bei solchen Befragungen üblich, erkundigte sich Harry zunächst nach den Basisinformationen: voller Name, Namen der Eltern, Anschrift, nächste Verwandte, Arbeitsplatz samt Anschrift, Reisen ins Ausland. Er ging dabei ähnlich vor wie ein Arzt bei einer Routineuntersuchung und erstellte Punkt für Punkt eine Inventarliste dieses Lebens. Er wollte jede noch so nebensächliche Information zusammentragen, um sie später mit Hilfe der verfügbaren Akten und Datenbanken zu überprüfen und damit nicht nur Molavis Glaubwürdigkeit zu etablieren, sondern vor allem auch einen Kontext zu schaffen, der es ihm ermöglichen würde, den jungen Mann und seine Beweggründe besser zu verstehen.
In dieser Hinsicht war Harry noch ein Vertreter der alten Garde. Ihm war es im Umgang mit externen Agenten das Wichtigste, zu begreifen, was sie sich von dem Kontakt mit der CIA versprachen, um dann zu versuchen, ihnen genau das zu geben oder es ihnen zumindest vorzugaukeln. Als Molavi von seiner Familie sprach, schwang etwas in seiner Stimme mit, das Harry aufmerksam werden ließ. Er wagte einen ersten Vorstoß.
«Erzählen Sie mir von Ihrem Vater», sagte er.
«Was gibt es da groß zu erzählen? Er war ein wunderbarer Mensch, der nie das bekommen hat, was er verdient hätte.Er
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