Der Einsatz
Fischerboot in Empfang genommen hatte. Er hatte Kopfhörer auf und sah Harry fragend an.
«Wo ist Adrian?», fragte Harry.
«Der ist kurz weg. Hatte noch irgendwas zu erledigen.»
Harry konnte sich lebhaft vorstellen, was das war, hatte aber nicht die geringste Lust, das mit dem jungen Agenten zu erörtern, der da mit dem Kopfhörer um den Hals vor ihm saß.
«Wir brauchen Mittagessen», sagte Harry. «Was Ordentliches, Heißes.»
«Steht alles schon bereit», sagte Jeremy.
«Und etwas Kaltes zu trinken. Nichts Alkoholisches. Cola wäre gut. Und Kaffee. Und Eis zum Nachtisch, wenn das geht.»
Sie verzehrten Steak mit Pommes frites und hinterher eine Portion Choc Choc Chip von Häagen-Dazs, das der junge Agent irgendwo in Aschgabat aufgetrieben hatte. Während des Essens ließ Molavis Anspannung merklich nach. Er erzählte von seiner Studienzeit in Deutschland. Harry fragte ihn, ob er vielleicht etwas spazieren gehen wolle, bevor sie weitermachten, doch Molavi lehnte ab. Er verschwand nur kurz auf der Toilette und kam mit sorgfältig gekämmtem Haar zurück. Auf so etwas schien er großen Wert zu legen. Harry hatte nur eine Sorge. Molavis Anspannung ließ so rasch nach, dass es sicher schwierig werden würde, ihn zur Rückkehr zu bewegen, falls sie das für notwendig hielten.
Schließlich kehrte Harry zu seinen Fragen zurück. Welche wissenschaftlichen Instrumente wurden bei Tohid verwendet?Woher kamen sie? Wie wurden sie gewartet? Wurden dazu Leute aus dem Ausland eingeflogen, oder übernahmen die Iraner diese Aufgabe selbst? Hatte Molavi jemals Wartungsprotokolle gesehen, oder hätte er theoretisch Zugang dazu? Zweifelten die Iraner vielleicht an ihren Lieferanten? Waren sie misstrauisch? Verglichen sie verschiedene Lieferfirmen miteinander?
Der junge Iraner musste passen. Auf diese Fragen hatte er keine Antworten und glaubte auch nicht, dass er jetzt noch viel darüber herausfinden würde, zumindest nicht über Tohid. Man hegte Verdacht gegen ihn, hatte bereits damit begonnen, ihn vom direkten Informationsfluss abzuschotten, zumindest schien ihm das so.
Harry ließ nicht locker. «Die Testergebnisse der Neutronenquelle, die Sie uns geschickt haben – woher hatten Sie die?»
«Aus dem Zentrallabor. Ich führe dort einige meiner Experimente durch. Das Labor ist komplett abgeschottet. Man lässt uns nur in Begleitung hinein.»
«Und wie haben Sie das Material dann nach draußen gebracht?»
«Ich habe es mir selbst gemailt, von einem geheimen Mailkonto zum anderen. Wenn man weiß, wie man das anstellt, ist es gar nicht weiter schwierig. Das war mein Vorteil. Die Sicherheitsleute von den Pasdaran sind einfach nicht intelligent genug, um uns Wissenschaftler ernstlich zu überwachen. Sie müssen uns vertrauen, es bleibt ihnen gar nichts anderes übrig. Es sei denn, sie beschließen, uns gar nicht mehr zu vertrauen.»
«Und die Experimente mit dem Zündmechanismus, umdie es in den Testberichten geht, wurden die als Erfolg gewertet? Oder als Misserfolg?»
«Als Misserfolg», antwortete der Iraner.
«Wie haben Ihre Kollegen auf diesen Misserfolg reagiert?»
«Sie haben es weiter versucht. Sie kennen doch das Sprichwort: Man soll nicht gleich die Flinte ins Korn werfen.»
«Stimmt», bestätigte Harry. «Aber es hat doch auch danach nicht geklappt, oder? Die Tests sind bereits vor dem Laborbericht gescheitert, den Sie uns geschickt haben, und seither ist es so weitergegangen. Oder etwa nicht?»
Molavi nickte. Er saß längst nicht mehr so aufrecht da wie am Anfang. Fast lümmelte er ein wenig im Sessel.
«Und kam es irgendjemandem verdächtig vor, dass die Experimente immer wieder gescheitert sind?»
Molavi schwieg einen Augenblick, als wäre ihm klar, dass sie sich jetzt auf ganz entscheidendem Terrain bewegten. «Ja. Sie fingen an, sich Sorgen zu machen.»
«Woher wissen Sie das?»
«Das gehörte zu den Themen, um die es ging, als man mich verhört hat. Der Vernehmungsbeamte sprach von Zügen, die in die falsche Richtung fahren, und von unzuverlässigen Instrumenten. Mehr hat er aber nicht gesagt. Sie wissen natürlich nichts Genaues. Aber ich bin mir sicher, dass sie deswegen in Sorge waren.»
Harry erhob sich und trat ans Fenster. Er brauchte einen Augenblick, um nachzudenken. Ganz oben auf der Gebirgskette, die sich so öd und nackt vor ihnen erstreckte, lag bereitserster Schnee. Er sah fast aus wie weißes Haar, das in ein faltiges, zerklüftetes Gesicht hing. Wie weit war der Iran
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