Der Einsatz
Angesichts all der Geheimnisse, die er in seiner dreißigjährigen Karriere als mit Sicherheitsfragen betrauter Bürokrat hatte verdauen müssen, wirkte er erstaunlich jugendlich. Gekleidet war er in jenem stets adrett wirkenden, zeitlosen und unverwüstlichen Brooks-Brothers-Look mit Button-down-Kragen und bequemen Slippern, den Leute wie er von der Highschool bis zur Pensionierung beibehalten.
«Können wir uns hier oben unterhalten?», fragte Appleman und sah sich in seinem Büro um, durch dessen Fenster die Abendsonne hereinschien. An den uninspiriert eierschalenfarben gestrichenen Wänden hingen ein paar Seestücke sowie die obligatorischen Wildwest-Gemälde. Appleman hielt ihnen die Tür auf und wartete darauf, dass sie eintraten. Er war so höflich, dass selbst der Präsident ihn manchmal so herablassend wie einen Lakaien behandelte.
«Vielleicht gehen wir besser nach unten», sagte der Direktor. «Die Angelegenheit ist ein wenig heikel.»
Und so stiegen sie hintereinander wieder die Treppen hinab in die Operationszentrale, vorbei an den Wachen, die dort rund um die Uhr vor der schweren Metalltür postiert waren. In dem unterirdischen Raum nahmen sie an einem großen Konferenztisch Platz, und obwohl der Raum kühl wie ein Weinkeller war, zog der nationale Sicherheitsberater sein Sakko aus. Die anderen taten es ihm gleich.
«Die Iraner haben ihr Atomwaffenprogramm wiederaufgenommen», sagte der Direktor, der nicht dazu neigte, langeum den heißen Brei herumzureden. «Sie arbeiten bereits an einem Zündmechanismus.»
«Heiliger Bimbam!», rief Appleman aus. Er benutzte nicht gern Schimpfwörter. «Sind Sie sicher?»
«Wir haben einen Informanten im Programm. Zumindest sieht es so aus.»
«Endlich!» Appleman wagte ein dünnes Lächeln, und Harry Pappas wusste nicht so recht, worauf sich das bezog: dass sie endlich einen Informanten im iranischen Atomwaffenprogramm hatten oder dass sie es ihm endlich erzählten. Vermutlich hatte Fox ihn schon vor Wochen unter der Hand informiert.
«Der Präsident hat den Glauben an die CIA schon fast verloren. Aber was meinen Sie mit ‹es sieht so aus›? Entweder haben wir einen Informanten, oder wir haben keinen. Oder sehe ich das falsch?»
Der Direktor hatte seine mit Goldtressen besetzte Admiralsmütze vor sich auf den Tisch gelegt. Anscheinend brachten ihn die Fragen des Sicherheitsberaters aus dem Konzept. Er deutete auf Pappas. «Harry kann Ihnen das alles erklären.»
«Unser Informant ist ein virtueller Überläufer, der über die Website Kontakt mit uns aufgenommen hat», erklärte Harry. «Sie müssen sich das etwa so wie die digitale Version der sowjetischen Überläufer vorstellen, die früher in unsere Botschaften marschiert sind. Wir nennen ihn Doktor Ali, wissen aber noch nicht, wer er ist. Aufgrund der Informationen, die er uns geschickt hat, können wir ein paar Vermutungen über seine Identität anstellen, aber wir haben ihn noch nie gesehen. Das erste Mal hat er sich im Juni über ein Formular aufunserer Website gemeldet. Wir haben ihm zurückgeschrieben, dann aber längere Zeit keine Antwort erhalten, was uns ein wenig misstrauisch gemacht hat. Doch jetzt haben wir neue Informationen von ihm bekommen. Sehr fundierte Informationen, weswegen wir auch vermuten, dass er echt ist.»
«Und was sind das für Informationen?» Der nationale Sicherheitsberater beugte sich interessiert über den Tisch.
«Vielleicht darf ich das erklären, Stewart», riss Fox das Wort an sich. «Lassen Sie uns die Sache nicht unnötig verkomplizieren. Unser Informant in Teheran hat uns Beweise dafür geschickt, dass die Iraner eine Bombe bauen. Sie denken nicht darüber nach, sie erwägen es nicht nur, sondern sie sind längst dabei. Sie arbeiten an einer Neutronenquelle. Bingo. Genau danach haben wir schon die ganze Zeit gesucht. Wir haben sie praktisch in flagranti ertappt. Als Nächstes werden sie einen realen Atomwaffentest durchführen.»
Plötzlich schien es, als wäre alle Luft aus dem Raum entwichen und hätte schlagartig ein Vakuum hinterlassen. Obwohl Fox sich Mühe gab, grimmig dreinzublicken, schlich sich ein ganz leises, zufriedenes Lächeln auf seine Lippen. Weder dem Direktor noch Harry war entgangen, dass Fox den nationalen Sicherheitsberater beim Vornamen genannt hatte. Bei der CIA munkelte man schon seit einiger Zeit, dass sie nicht nur politisch, sondern auch privat Freunde waren.
«Wie können Sie sich da so sicher sein, Arthur?», brach Appleman das
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