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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Alternativen?», fragte der Direktor. «Wenn es zu gefährlich ist, einen Undercoveragenten in den Iran zu schicken, was können wir dann tun?»
    Harry dachte einen Moment darüber nach. Die Frage ging ihm selbst seit einigen Wochen im Kopf herum. Wie konnte man einen übervorsichtigen iranischen Computerfreak identifizieren, der mit aller Gewalt anonym bleiben wollte? Wie konnte man in Teheran, einer Stadt mit fast 12   Millionen Einwohnern, genau die eine Person herauspicken, die sie brauchten? Das schaffte man nicht von Dubai aus, nicht von Istanbul und von Langley schon gleich gar nicht. Man musste vor Ort sein. Das war das Problem, das es zu lösen galt, und Harry wusste, dass er es ohne fremde Hilfe nicht schaffen würde.
    «Die Engländer», sagte er nach einer längeren Pause. «DerSIS hat, soviel ich weiß, zwei Leute in der britischen Botschaft in Teheran. Vielleicht können die uns ja helfen, unseren Mann zu finden, und uns so viele Informationen über ihn beschaffen, dass wir Doktor Ali konkretere Fragen stellen können. Falls wir ihn jemals zu Gesicht bekommen.»
    «Können die Engländer das denn für sich behalten?»
    «Sicher. Die Briten sind die besten Lügner der Welt. Und außerdem kenne ich Adrian Winkler, den neuen Stabschef beim SIS, von unserer gemeinsamen Zeit in Moskau und Bagdad. Er wird alles tun, worum ich ihn bitte. Ich könnte rüberfliegen, ihn und seinen Boss informieren und einen Einsatzplan mit ihnen ausarbeiten. Auf diese Weise würden nicht zu viele Leute eingeweiht.»
    Der Direktor schwieg, bis sie fast bei der CI A-Zentrale angekommen waren. Es ging ihm zurzeit eine Menge im Kopf herum. Als er die Navy verließ, um Chef der CIA zu werden, war er noch ziemlich blauäugig gewesen und hatte den Geheimdienst geführt wie eine große Marinebasis. Er hatte seine Frau mit in die Kantine genommen, am «Familientag» Softball gespielt und eigenhändig Orden überreicht oder Beförderungen auf höherer Ebene ausgesprochen. Inzwischen war es damit vorbei, und ihm war klargeworden, dass er eine kaum überschaubare Organisation zu leiten hatte, in der vieles drunter und drüber ging. Harry spürte, dass der Direktor weder seine Arbeit so recht mochte noch die Leute, mit denen er es dabei zu tun hatte. Er war zwar in der Lage, ein Schiff auf Kurs zu halten, aber keinen Geheimdienst wie die CIA.
    «Tun Sie’s», sagte der Direktor schließlich. «Fliegen Sie so bald wie möglich nach London und treffen Sie alle nötigen Vorkehrungen.»
    Harry versprach, sich in vierundzwanzig Stunden auf den Weg zu machen. Inzwischen waren sie in der Tiefgarage angelangt. Der Direktor stieg aus und steuerte auf den Aufzug in den siebten Stock zu, doch Harry hatte noch eine Frage an ihn.
    «Werden Sie Fox von meiner Reise nach London erzählen?», fragte er.
    Der Direktor antwortete nicht, was Harry als ein ‹Nein› wertete.

9   London
    Adrian Winkler hätte für ein Rekrutierungsplakat des SIS Modell stehen können, wenn es dem geheimsten aller Geheimdienste jemals in den Sinn gekommen wäre, Reklame für sich zu machen. Er war dunkelhaarig und lebhaft und hatte ein verschmitztes Lächeln in den Augen. Adrian wusste, wie man mit einer Pistole umging und wie man mit dem Fallschirm absprang, er beherrschte mehrere Sprachen und war ein begnadeter Witzeerzähler. Die Geheimdienstarbeit betrieb er so, als wäre sie nichts weiter als eine Fortsetzung des Lebens auf einer britischen Privatschule   – Vernebelung und Täuschung als Produkt einer durchtriebenen Intelligenz. Wenn er eine Operation besonders gut abgeschlossen hatte, sagte er zu seinen Kollegen wie ein Schüler, der eine gute Note bekommen hat: «Alles nur eine Frage des richtigen Drehs.» Amerikanern machte er mit seinem schwarzen Humor und seiner Weigerung, Inkompetenz zu tolerieren, häufig Angst, doch bei Harry Pappasfunktionierte das nicht. Der war auf der gesellschaftlichen Landkarte so weit von Winkler entfernt, dass er sich von ihm nicht bedroht fühlte. Im Gegenteil, er mochte Winkler, weil er seine Arbeit gut und mit sichtlicher Freude erledigte.
    Harry und Adrian hatten sich in einem anderen Leben kennengelernt, als sie beide als junge Geheimdienstler in Moskau stationiert gewesen waren. Die CIA befand sich damals in einem ihrer periodisch wiederkehrenden Panikzustände wegen der sowjetischen Infiltrierung des Geheimdienstes, und das Leben in der alten Moskauer U S-Botschaft war besonders im Winter ziemlich hart gewesen. Der Moskauer

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