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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Stationsleiter untersagte seinen rastlosen jungen Agenten bis zur Klärung der Situation jegliche neue Aktion. Um sich die Zeit zu vertreiben, hatten Harry Pappas und seine Kollegen übermäßig viel Alkohol getrunken, anderer Leute Ehefrauen angeflirtet und versucht, möglichst nichts zu sagen, was sie in Schwierigkeiten hätte bringen können. Vor lauter Langeweile fuhr Harry tagelang mit der U-Bahn kreuz und quer durch Moskau, bloß um seine Verfolger vom KGB an der Nase herumzuführen.
    Dann trafen Adrian und Susan Winkler in Moskau ein. Sie reisten zusammen über Finnland mit dem Auto an, was auf den winterlich vereisten Straßen alles andere als ein Vergnügen war. Zudem hatten sie ihre beiden kleinen Töchter dabei, die ständig herummaulten, und die sowjetische Grenzpolizei war auch nicht gerade freundlich zu ihnen gewesen. Erschöpft von den vielen Stunden am Steuer, hatte Adrian den Wagen auf einem Waldweg abseits der Hauptstraße abgestellt, wo er hinter tiefverschneiten Fichten von der Straße aus nicht zu sehen war, und ein paar Stundengeschlafen, bis seine schreienden Kinder ihn wieder geweckt hatten.
    Das Interessante an der Geschichte, die Winkler Harry später in Moskau erzählte, war die Tatsache, dass er sich die Lage dieses Waldwegs genau gemerkt und sich eines Tages, als er dringend einen abgeschiedenen Ort brauchte, wieder daran erinnert hatte. Der SIS hatte einen Blitzeinsatz angeordnet, um einen sowjetischen KG B-Agenten , der zu ihnen übergelaufen war, außer Landes zu bringen. Der Agent sollte über Finnland ausgeschleust werden, aber man brauchte einen Ort, wo man ihn unterwegs verschwinden lassen konnte. Winkler schlug den Waldweg vor, dessen Lage er auf den Kilometer genau beschreiben konnte. Der Plan war genial einfach: Der russische Agent fuhr von der einen Seite in den Waldweg, ein britischer Undercoveragent von der anderen Seite. Minuten später fuhr der verkleidete Agent im Wagen des Briten wieder hinaus auf die Hauptstraße. Diese Ausschleusungsoperation wurde zur Legende, von der man im SIS noch immer sprach. Winkler war damals gerade mal neunundzwanzig Jahre alt.
    Eigentlich hätte er Harry diese Geschichte gar nicht erzählen dürfen. Die Sache unterlag strengster Geheimhaltung, weil die Briten die Sowjets glauben lassen wollten, der übergelaufene Agent sei gestorben. Aber Winkler und Harry hockten in einem sicheren Haus in Moskau, tranken Wodka und freundeten sich immer mehr an. «Irgendjemandem muss man schließlich vertrauen», hatte Winkler damals gemeint.
    «Hat er sich eigentlich bei dir bedankt?», hatte Harry sich erkundigt.
    Winkler schüttelte enttäuscht den Kopf.
    «Wer? Pavel? Machst du Witze? Der ist ein richtiger Bastard. Er glaubt, er hätte seine Flucht ganz allein bewerkstelligt.» Er schwieg einen Augenblick.
    «Aber so ist das nun mal in unserem Geschäft, nicht wahr? Wir arbeiten oft mit richtig üblen Burschen zusammen. Aber wenn nicht irgendetwas faul wäre an ihnen, würden sie wohl gar nicht erst mit uns reden. Und weißt du was? So was
färbt ab

     
    Adrian Winkler war noch nicht richtig in Moskau angekommen, da hatten Harry und er sich schon zusammengetan. Beide waren junge Familienväter. Harrys Sohn Alex war damals vier – ein robuster kleiner Racker, dem nicht einmal die bitterste Kälte etwas anhaben konnte. Eigentlich hätten sie sich nicht anfreunden dürfen, aber sie wohnten im selben Stadtviertel, und ihre Kinder gingen auf dieselbe Schule. Winkler war der Meinung, die britische Schule in Moskau werde von einem Sadisten geleitet, und schickte seine Mädchen lieber auf die amerikanische. Auch ihre Frauen mochten sich, und so freundeten sich die Familien immer mehr an. Winkler mochte es besonders, wenn Harry über seine Zeit als Ausbilder der Contras in Honduras erzählte. Gewehre und Bomben und all die anderen Spielsachen der paramilitärischen Agenten übten eine große Faszination auf ihn aus. Harry wiederum wollte die hohe Kunst der Spionage lernen, und so kam es, dass sie sich gegenseitig das beibrachten, was der andere nicht konnte.
    Alle miteinander gründeten sie einen Filmclub, um diebitterkalten Moskauer Nächte mit Leben zu erfüllen. Sie schauten sich alte Cary-Grant-Streifen und klassische französische Filme von Jean Renoir und François Truffaut an, und wenn sie sie bekommen konnten, auch Filme von Monty Python,
Rocky
und
Bullwinkle
. Harry eröffneten diese Filme eine neue Welt. Als ein in Worcester aufgewachsener

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