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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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die Tatsache, dass man mit jemandem auf derselben Schule gewesen oder mit der Schwester von jemand anderem in Oxford ausgegangen war, galt bereits als Beweis für dessen Zuverlässigkeit.
    Auch jetzt im Spätsommer hatten die Bäume und Rasenflächen draußen vor dem Fenster noch jenes satte Grün, von dem der Park wohl seinen Namen hatte. Und obwohl das Blattwerk den Blick auf den keinen Kilometer entfernten Buckingham Palace versperrte, erinnerte der Ausblick noch sehr an das London zur Zeit Königin Victorias. Inzwischen war das Britische Empire zusammengebrochen und dann wiederauferstanden, und zwar auf eine unerwartete Art und Weise, als die ‹kleinen Völker› vergangener Tage, die Inder, Saudis, Kuwaitis und Chinesen nach Großbritannien zurückgekehrt waren, um hier ihren neuerworbenen Wohlstand ohne Scheu zu verprassen. Die grauen, tristen Zeiten waren vorbei, London grünte und blühte in diesen Tagen wie die Pflanzen in seinen Parks. Die Briten fanden sich im postkolonialen Zeitalter weitaus besser zurecht als die Amerikaner, aber das war nicht weiter verwunderlich. Schließlich machten sie fast alles besser.
     
    Das Mittagessen verlief sehr angenehm. Es gab gute Speisen und guten Wein und vor allem köstlichen Klatsch über die beiden Geheimdienste. Dennoch lag es auf der Hand, dass Plumb den amerikanischen Gast nicht nur deshalb zum Essen eingeladen hatte.
    «Wir machen uns Sorgen um Sie», sagte Sir David, als er seine Seezunge verzehrt und sein zweites Glas Puligny-Montrachet ausgetrunken hatte. Nun wartete er auf seinen Käse.
    «Natürlich nicht um Sie persönlich», fuhr er fort, «und noch nicht einmal um die CIA, obwohl wir uns manchmal schon fragen, ob Sie nicht ein wenig aus dem Tritt geraten sind. Nein, wir machen uns Sorgen um Ihre Regierung. Sie hat – wie soll ich das sagen? – ein hohes Unfallrisiko. Irgendwie erinnert sie mich an einen Kreisel, der sich nicht mehr schnell genug dreht und immer mehr ins Taumeln gerät. Der elfte September, gut, das war Pech. Danach rappelt man sich wieder auf und macht weiter. Dann der Irak – eine furchtbare Schweinerei. Eine gottserbärmliche Schweinerei, wenn Sie mich fragen. Aber so ist das nun mal im Leben. Man macht Fehler, korrigiert sie und macht weiter. Schwamm drüber. Aber dieser natürliche Regenerationsprozess scheint zurzeit in Ihrem schönen Land nicht stattzufinden. Schon die vorangegangene Regierung war eine herbe Enttäuschung, aber die aktuelle scheint es nicht besser zu machen, und der nächsten wird das vermutlich auch nicht gelingen. Das beunruhigt uns. Es beunruhigt den Premierminister. Er weiß nicht so recht, was er tun soll.»
    Harry schwieg und starrte auf die Knochen der Lammkoteletts auf seinem Teller.
    Sir David musterte ihn eingehend über den Rand seiner Brille.
    «Oder sehe ich das zu dramatisch?», fragte er.
    «Nein», erwiderte Harry, «die Dinge stehen schlecht. Und ich kann Ihnen die Aussagen zum Irak nicht einmal verübeln. Wir haben alle Fehler gemacht. Wir hätten es wissen müssen. Wir hätten nicht   …» Seine Stimme verlor sich, und am Tisch entstand ein unbehagliches Schweigen. Harry blickte an Sir David vorbei hinaus in den Park und versuchte die Fassung zu bewahren.
    «Harrys Sohn ist im Irak gefallen», erklärte Adrian.
    «Ich habe davon gehört. Das tut mir schrecklich leid, Harry. Verzeihen Sie mir, ich habe vergessen, dass das für Sie kein theoretisches Gespräch ist. Lassen Sie uns von etwas Erfreulicherem reden.»
    Harry schüttelte den Kopf. «Sie haben ja recht, Sir David. Wir stecken alle in einem fürchterlichen Schlamassel. Wir müssen darüber reden, ich vielleicht mehr als alle anderen. Ich weiß nur keine Antworten darauf.»
    «Sie und Adrian haben über den Iran gesprochen, soviel ich weiß.»
    «Wir haben uns eine gemeinsame Operation überlegt. Adrian wird Sie über die Einzelheiten informieren, vielleicht an einem Ort, an dem es nicht so   … laut ist.»
    «Ich bin sehr glücklich, wenn wir Ihnen behilflich sein können. Das ist nun mal unsere Rolle in dieser Zeit: Wir sind der Putzerfisch, der dem Hai die Parasiten von der Haut knabbert und ihm von Zeit zu Zeit noch ein paar andere Dienste leistet.»
    «Stellen Sie Ihr Licht nicht so unter den Scheffel, Sir David.Schließlich haben Sie Ihre Leute in Teheran und wir nicht. Und nach allem, was Adrian mir vorhin erzählt hat, sind Ihre Leute sogar ziemlich aktiv.»
    «Das mag sein. Übrigens ist der Iran das Land, das mir momentan

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