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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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wie eine Katze verhältst, Bruder Inspektor, wie eine dicke Katze mit langen Barthaaren», sagte Al-Majnoun. «Bewege dich vorsichtig und leise. Glaub nicht, dass du Freunde hast oder dass du die Wahrheit kennst. Dieser Vorfall bedeutet womöglich nichts, vielleicht bedeutet er aber auch alles. Wir wollen niemanden erschrecken, wenn es nicht notwendig ist. Die Revolution macht niemals Fehler. Davon hängt die Autorität des Führers ab. Sollte hier also ein Fehler passiert sein, so ist das mit größter Sorgfalt zu behandeln. Verstehst du? Hol Erkundigungen ein, aber tu das ganz vorsichtig.»
    «Jawohl, Herr General. Natürlich.»
    «Und halte mich über deine Nachforschungen auf dem Laufenden. Aber nicht schriftlich,
min fadlak
. Außerdem will ich nicht, dass du sonst jemanden über diese Nachforschungen informierst. Das ist ein Befehl von ganz oben. Die Führung der Revolution vertraut auf unsere Fähigkeit, den Weg durch die Dunkelheit zu finden. Haben wir uns verstanden, Bruder Inspektor?»
    Mehdi verbeugte sich. Wie hatte diese Katastrophe nur über ihn hereinbrechen können?
    «Nicht schriftlich», wiederholte er. «Und ich werde nur Sie informieren.»
    «Du weißt, dass ich ein Auge auf dich habe. Mach nicht den Fehler der anderen, die glaubten, sie wüssten Bescheid, und sich letzten Endes doch getäuscht haben.»
    «Ich habe verstanden, Herr General. Ich werde nicht an verschlossene Türen klopfen.»
    Al-Majnoun entließ den Inspektor mit einer beiläufigen Geste.
    Während sich Mehdi Esfahani rückwärts zur Tür bewegte, schien der Libanese wie ein schwarzes Stück Stoff in der Dunkelheit zu verschwinden. Und selbst als Mehdi die Tür geöffnet hatte und das Licht vom Flur hereinschien, war es unmöglich, den Umriss des Mannes im dunklen Zimmer zu erkennen.

12   Washington
    Auf dem Rückflug nach Washington fühlte Harry sich fremd im eigenen Körper. Egal, wie er sich auf dem Flugzeugsitz hinsetzte, es war einfach nicht bequem. Er konnte nicht schlafen, aber auch nicht lesen, also saß er nur ruhelos da, bis das Flugzeug auf dem Dulles Airport landete. Eigentlich hätte er gern in London übernachtet und mit Adrian Winkler gemütlich zu Abend gegessen, aber er hatte seiner Tochter Louise versprochen, sich ihre Theateraufführung im Sommerlager anzusehen. Nachseiner Ankunft war er todmüde, und das Letzte, was er jetzt sehen wollte, war ein Haufen Fünfzehnjähriger, die
Plaza Suite
von Neil Simon spielten. Andererseits hatte Lulu sich beschwert, dass er nie für sie da sei, und seine Entgegnung, dass man Liebe doch nicht in Stunden und Tagen bemessen könne, nicht gelten lassen. Damit hatte sie Harry ein schlechtes Gewissen gemacht, und so ging er jetzt zu der Aufführung.
    Das Stück war deprimierend. Es erzählte die Geschichte dreier unglücklicher Paare, von denen keines das bekam, was es sich vom Leben erhofft hatte. Die meisten Figuren schienen nicht einmal zu wissen, was sie vom Leben wollten. Lulu spielte eine Mutter mittleren Alters aus New Jersey, die sich mit ihrem Ehemann langweilte und am liebsten eine Affäre mit ihrem früheren Freund angefangen hätte, wozu ihr aber der Mut fehlte. Harry war überrascht, wie gut sie ihre Sache machte: Ihr Timing war hervorragend, und die Pointen waren immer richtig gesetzt. Woher wusste sie so viel über die Ängste der Erwachsenen?
    «Wie hat es dir gefallen?», fragte sie, als Harry nach der Aufführung zu ihr hinter die Bühne kam. Er hatte vergessen, ihr Blumen zu kaufen, aber Andrea hatte daran gedacht.
    «Du warst großartig», sagte Harry und schloss sie in die Arme.
    «Aber wie hat dir das Stück gefallen?» Darüber wollte sie offenbar mit ihm reden.
    «Es war lustig», sagte Harry. «Viele lustige Stellen. Aber die Personen waren zu überdreht. Echte Menschen sind nicht so.»
    «Doch, genau so sind sie. Darum geht es ja in diesemStück, Daddy. Um die Sinnlosigkeit des Lebens.» Er tätschelte ihr liebevoll den Rücken, aber Lulu wandte sich ab. Sie war sauer und wollte anscheinend unbedingt Streit mit ihrem jetlaggeschädigten Vater anfangen.
    «Jetzt sei doch mal ehrlich, Süße», sagte Harry mit einem Seitenblick auf Andrea. «Deine Mom und ich sind doch nicht so.» Was natürlich genau die falsche Bemerkung war.
    «Du hast überhaupt nichts kapiert», fauchte Lulu. «Ich will jetzt nicht mehr darüber reden.» Sie entglitt ihm immer mehr. In ein paar Jahren, ach was, in ein paar Minuten, würde sie fort sein.
    Harry fuhr mit Lulu allein im

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