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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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und dass er durch die Tatsache, dass er sie insgeheim unterstützte, die richtige Entscheidung getroffen hatte. In dieser Nacht schlief er über dem offenen Buch ein.

14   Washington/London
    Harry Pappas erfuhr die Neuigkeiten aus Teheran aus einer privaten Botschaft von Adrian Winkler. Die Nachricht war kurz, unpräzise und klang merkwürdig zaghaft. «Es könnte sein, dass wir in Teheran möglicherweise auf eine vielversprechende Spur gestoßen sind», schrieb Winkler. «Könntest Du es vielleicht einrichten, uns noch einmal zu besuchen und die neue Entwicklung mit uns zu besprechen?» Harry hatte Winkler im Verdacht, dass er die Nachricht ein, zwei Tage lang hatte liegenlassen, um Zeit zum Nachdenken und Recherchieren zu haben. Das konnte er ihm auch gar nicht verdenken: Er hätte dasselbe getan.
    Harry schrieb zurück, dass er in achtundvierzig Stunden in London sein würde. In Washington war der Teufel los. Doktor Ali hatte tatsächlich auf die Nachricht mit den Aufgaben geantwortet, die sie ihm im Eingangsordner des GoogleMail-Accounts hinterlassen hatten. Er besaß keine Informationen über ein Plutoniumprogramm oder den Schwerwasserreaktor. Falls diese Projekte überhaupt existierten, so schien Doktor Ali selbst nicht damit befasst zu sein. Das Datum, an dem der Test der Neutronenquelle vorgenommen worden war, konnte er jedoch liefern. Er hatte vor drei Monaten stattgefunden. Auch den Ort, eine Forschungsanlage in Parchin, etwa dreißig Kilometer südöstlich von Teheran, gab er an. Diese Informationen waren für Arthur Fox und die Falken im Weißen Haus mehr als genug. Nun hatten sie genaue Zielkoordinaten für einen Raketenangriff. Das Zentralkommando der Streitkräfte wurde informiert, und die Schiffe der Fünften Flotte, die im Persischen Golf im Einsatz war, nahmen Parchin in ihre Liste potenzieller Angriffsziele auf.
    Doktor Ali hatte seiner Antwort noch eine Abschlussnotiz hinzugefügt. «Bitte seien Sie vorsichtig. Das Risiko für Ihr Unternehmen ist nun sehr klein, aber für mein Unternehmen steht viel auf dem Spiel.»
    Harry versuchte, mit Fox zu besprechen, was das bedeuten konnte.
Das Risiko für Ihr Unternehmen ist nun sehr klein.
Was wollte er ihnen damit sagen? Die Iraner versuchten zwar, eine Atombombe zu bauen, aber sie kamen damit anscheinend nicht voran. Sie hatten technische Schwierigkeiten. Hatten die Analysten bei der Proliferationsabwehr oder die Politiker im Stab des nationalen Sicherheitsberaters diesen Punkt etwa übersehen? Die Iraner standen vor gar nichts, außer vor einem erneuten Misserfolg.
    Fox reagierte herablassend auf Harrys Vermutung. «Sie suchen doch bloß einen Weg, um eine Konfrontation zu vermeiden», sagte er.
    «Und was ist so falsch daran, eine Konfrontation zu vermeiden?»
    Fox verdrehte die Augen, als ob der alternde Abteilungsleiter einfach keine Ahnung hätte. Das machte Harry wütend, und obwohl er Diskussionen mit Leuten wie Fox normalerweise aus dem Weg ging, konnte er dieses Mal nicht schweigen.
    «Vielleicht ist es Ihnen ja entgangen, dass wir schon jetzt nicht genügend Truppen haben, um die Kriege richtig zu führen, in die wir bereits verwickelt sind. Aber das ist ja nicht Ihr Problem, nicht wahr? Sie zetteln die Kriege bloß an und lassen sie von anderen zu Ende bringen.»
    Fox schnaubte nur verächtlich. Er hatte alles, was er brauchte, und Harry konnte sich auf den Kopf stellen undmit den Beinen wackeln, es würde nichts daran ändern. Die Macht fiel nun mal den Menschen zu, die bereit waren, Entscheidungen zu treffen, und nicht den Zweiflern und Bedenkenträgern. Sogar Harry war klar, dass ihm die Informationen fehlten, um Fox ernsthaft etwas entgegenzusetzen. Auch er konnte nicht wissen, was Doktor Ali wirklich meinte, solange er nicht wusste, wer sich hinter diesem Decknamen verbarg. Und in diesem Punkt hatte Harry, zumindest in Fox’ Wahrnehmung, bislang keinerlei Fortschritte gemacht.
     
    Harry ging zum Direktor, um sich die Genehmigung für eine weitere Reise nach London zu holen. Es war keine angenehme Begegnung. Im tiefsten Innern war der Direktor doch immer ein Militär geblieben, was man an seinem Büro im siebten Stock unschwer erkennen konnte. In den Regalen standen Modelle von U-Booten und Schlachtschiffen, und an den Wänden hingen Urkunden über Auszeichnungen und Orden sowie sein Abschlussdiplom von der Marineakademie. Vielleicht brauchte er all diese Dinge, um die schlechte Energie des Geheimdienstes zu neutralisieren. Harry

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