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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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doch kein Mensch. Jetzt geriet Azadi ernstlich in Panik. Am liebsten wäre er davongerannt, weit weg, wo ihn niemand mehr finden konnte. Die Ausländer waren Teufel, und sie hatten auch ihn zum Teufel gemacht.
    Er hielt ein leeres Taxi an, das die Valiasr-Straße heraufkam. Aus dem offenen Fenster auf der Fahrerseite tönte Musik. Azadi erkannte die Stimme, sie gehörte der Sängerin Sheryl Crow, von der er eine raubkopierte CD besaß. Der junge Taxifahrer fragte Azadi, ob ihn die Musik störe, und als sein Fahrgast nicht antwortete, ließ er sie einfach laufen. Entweder war er sehr mutig oder einfach nur leichtsinnig. Beide Varianten hatten eine beruhigende Wirkung auf Azadi. Musste er wirklich so viel Angst haben? Vielleicht hatte er sich das mit dem Verfolger nur eingebildet.
    Er sagte dem Fahrer, dass er zur nigerianischen Botschaft in der Naseri-Straße wollte. Sie krochen zentimeterweise vorwärts, zwei Straßenecken weiter nach Norden, so nahean den anderen Fahrzeugen, dass sich die Blechverkleidungen zu berühren schienen. Dann bogen sie rechts vom Hauptverkehr ab und fuhren langsam die Seitenstraße entlang. Azadi sah hinauf zu den Dächern der Gebäude. Auf den meisten konnte man Satellitenschüsseln erkennen, die sich verbotene Sender aus Los Angeles, Toronto und Dubai aus dem Äther holten. Offiziell waren sie verboten, aber in der Realität hatte das keine Auswirkung. Wenn die Behörden wieder einmal Jagd auf illegale Satellitenschüsseln machten, gab es zuvor eine Meldung in der Zeitung, und die Leute schraubten die Schüsseln für ein paar Tage ab. Einige wurden von der Polizei beschlagnahmt, die sie später auf dem Schwarzmarkt verkaufte, und nach wenigen Wochen war alles wieder beim Alten. Weder die Behörden noch die Leute verloren ihr Gesicht, und dem Gesetz war Genüge getan.
    Azadi war jetzt beinahe entspannt. Das Taxi überquerte den Afrika-Boulevard, und einen Augenblick später fuhren sie an der nigerianischen Botschaft vorbei. Azadi kannte das Gebäude gut, weil er dort vor seinem Studium in Holland als Übersetzer gearbeitet hatte. Von seiner Arbeit in der Botschaft hatte er der Geheimpolizei berichtet. Nicht, dass die Nigerianer wirkliche Geheimnisse gehabt hätten, aber dadurch hatte er sich immerhin das Recht erworben, ins Ausland zu reisen. Er bat den Fahrer anzuhalten, gab ihm ein paar Toman und ging zu Fuß zurück zur Foroozan-Straße, wo die Wohnung lag. Seine Angst war jetzt nicht mehr so groß. Niemand wartete hier auf ihn. Der iranische Geheimdienst hatte ihn bisher in Ruhe gelassen. Und die Briten waren mächtig. Sie waren teuflisch und verschlagen,wie jeder Perser wusste, aber sie waren auch clever. Wie konnte jemand in Gefahr sein, wenn der Kleine Satan über ihn wachte?
     
    Azadi betrat ein modernes Wohnhaus, neben dem ein weiteres noch im Bau war. In diesem Teil der Stadt wurde alles modernisiert. Die Iraner, die im Ausland lebten, kauften hier Appartements für ihre Eltern oder Verwandten oder ließen sie einfach leer stehen. So waren bestimmt auch die Briten an die Wohnung gekommen: Sie hatten in Genf oder Frankfurt einen iranischen Geschäftsmann gefunden, der sie für viel Geld erworben und ihnen überlassen hatte. Die Exil-Iraner waren überzeugt davon, dass sich die Mullahs nicht mehr lange halten würden, und kauften deshalb Immobilien im Iran. Dummerweise aber kannten sich die reichen Exilanten in der iranischen Politik nicht aus. Sie würden den brutalen Straßenbengeln aus Süd-Teheran, aus denen sich die Basij und die Pasdaran rekrutierten, niemals die Macht entreißen. Die guten Leute waren immer zu schwach.
    Azadi klingelte an der Tür einer Wohnung im dritten Stock und wartete.
    Der Engländer öffnete die Tür einen Spaltbreit. Er nannte sich Simon Hughes, aber Azadi wusste genau, dass das ein falscher Name war. Warum machten sie sich eigentlich die Mühe, solche Namen zu erfinden? Er hätte sich genauso gut «John Bull» nennen können, und es wäre auch in Ordnung gewesen. Der Mann hatte rotes Haar, einen dicken Bauch und trug eine dicke Brille, die bestimmt nur der Tarnung diente. So waren diese Spione nun mal: Sie verkleideten sichwie in einem Hollywoodfilm. «Simon Hughes» sagte kein einziges Wort, bis sie im Wohnzimmer waren und er das Radio angestellt hatte. Gleich zu Anfang wiederholte er den Termin des regulären nächsten Treffens, das in drei Monaten in Doha stattfinden sollte. Wieso hatten sie sich nicht an den Plan gehalten? Irgendetwas stimmte

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