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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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hatte fast Mitleid mit diesem in Langley gestrandeten Vier-Sterne-Wal. Als Offizier schätzte der Direktor Disziplin und eine klare Befehlskette und mochte es überhaupt nicht, wenn es zu Konflikten zwischen seinen Untergebenen kam. Und was den SIS anbelangte, so wusste er dessen Hilfe zwar durchaus zu würdigen, war aber alles andere als erpicht darauf, seine wertvollsten Geheimnisse mit einem anderen Geheimdienst zu teilen. Aber Harry ließ sich nicht beirren.
    «Ich glaube, dass London herausgefunden hat, wer unserMann ist», erklärte er. «Wir dürfen auf keinen Fall eine Entscheidung fällen, ohne dieser Spur nachgegangen zu sein. Man darf keine Politik auf der Basis von Geheimdienstinformationen machen, wenn man sich nicht sicher ist, was diese Informationen überhaupt bedeuten und von wem sie stammen.»
    Der Direktor nickte resigniert. Er begriff sehr wohl, wo die Gefahren lagen. «Und was schlagen Sie vor, Harry?», fragte er. «Das Weiße Hause möchte so schnell wie möglich loslegen.»
    «Wir müssen unseren Mann ausfindig machen und ihn eingehend befragen, wenn möglich außerhalb des Iran. Wir müssen ihn einem Lügendetektortest unterziehen, ihm Anweisungen geben und einen sicheren Kommunikationskanal zu ihm aufbauen. Dieser Doktor Ali könnte unser bester Spion seit Oleg Penkovsky werden, aber dazu müssen wir ihn erst finden. Dieser Hinweis, den der SIS bekommen hat, ist unsere große Chance.»
    «Aber wir haben keine Zeit.»
    «Natürlich haben wir Zeit. Wenn ich nicht völlig danebenliege, dann will Doktor Ali uns sagen, dass wir jede Menge Zeit haben. Die Iraner bauen Mist, das ist die Quintessenz seiner Nachrichten. Wir stürzen uns ohne guten Grund in ein Abenteuer, anstatt mit dem Material zu arbeiten, das wir bereits haben.»
    «Arthur Fox und seine Freunde haben aber ganz andere Pläne mit Ihrem iranischen Freund», sagte der Direktor.
    «Ach ja?», brummte Harry. «Und was sind das für Pläne?» Fox hatte ihm bei ihrer Unterredung vorhin nichts davon erzählt, aber das war auch nicht weiter verwunderlich.
    «Er soll uns Beweise liefern, die wir den Vereinten Nationen vorlegen können.»
    «Für den Fall, dass wir den Iran angreifen oder ihm ein Embargo auferlegen? Auf Grundlage des Materials, das wir bisher haben, lässt sich das keinesfalls rechtfertigen.»
    Der Direktor zuckte die Achseln. Genau das hatten Appleman und der Präsident im Sinn. Sie wollten etwas gegen den Iran in der Hand haben, um im Fall eines Militärschlags wenigstens ein Minimum an internationaler Unterstützung zu bekommen.
    Harry wurde schwindlig. Er hatte schon einmal hier in diesem Büro gesessen, mit einem früheren Direktor der CIA, der dem Weißen Haus einen Gefallen tun wollte. Selbst nach allem, was passiert war, glaubten viele Leute immer noch, dass die USA für das, was sie vor den Vereinten Nationen behaupteten, auch hieb- und stichfeste Beweise hätten. Junge Männer und Frauen waren bereit, ihr Leben zu riskieren, wenn ihnen ihre Regierung versicherte, dass das Vaterland in Gefahr sei.
    Wir müssen sie aufhalten, Dad, bevor sie die Bombe haben.
Das hatte sein eigener Sohn zu ihm gesagt, kurz bevor er zur
Operation Iraqi Freedom
nach Kuwait abkommandiert worden war. Harry hatte damals längst gewusst, dass das alles eine Lüge war, dass er ein alter Mann im Rollstuhl sein würde, bis die Iraker ihre Atombombe hatten. Und trotzdem hatte er mitgespielt, wie jeder andere in der Nahostabteilung. Sie hatten eingesehen, dass nichts und niemand den Krieg mehr verhindern konnte. Doch das hatte er seinem Sohn damals nicht gesagt. Und heute konnte er es ihm nicht mehr sagen.
    «Geben Sie mir nur ein wenig mehr Zeit, Herr Admiral», sagte Harry. «Bis zum Wochenende bin ich wieder hier.» Es war keine Bitte, sondern eine Feststellung. «Bitte erzählen Sie Arthur Fox nichts von dieser Reise und lassen Sie ihn keine weiteren Nachrichten nach Teheran schicken, bis ich zurück bin. Sie müssen mir den Rücken frei halten, außer Ihnen habe ich niemanden, der mich unterstützt.»
    «Ich decke Sie, Harry, solange mir das möglich ist. Aber in Washington tickt die Uhr, und es wird eine Menge Kraft kosten, das verdammte Ding wieder abzustellen. Und lassen Sie sich bloß nicht auf irgendwelche Spielchen mit ihren britischen Freunden ein. Sie mögen zwar dieselbe Sprache sprechen wie wir, aber sie tanzen nach einer anderen Pfeife. Vergessen Sie das nicht, sonst kommen Sie noch in Schwierigkeiten, aus denen auch ich Ihnen

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