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Der Einsatz

Der Einsatz

Titel: Der Einsatz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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es mehrsilbig wurde. «Also, was bleibt uns noch? Hast du sonst noch irgendwelche Aktivposten im Iran, die das erledigen könnten? Wir haben nämlich niemanden, das sage ich dir gleich.»
    «Lass mich mal nachdenken», sagte Adrian. Er schien etwas abzuwägen und dann zu einem positiven Ergebnis zu kommen. «Vielleicht könnte ich da was arrangieren.»
    «Und was, wenn ich fragen darf?»
    «Wir haben da gewisse Möglichkeiten, über die wir nicht allzu gern sprechen, nicht einmal untereinander.»
    «Aber mir willst du es sagen.»
    Adrian nickte zwar, sagte aber nichts.
    «Nun komm schon, Junge. Hat es dir die Sprache verschlagen? Raus damit!»
    «Da wäre noch unser
‹Increment›
. Offiziell existiert es zwar nicht, steht uns aber trotzdem zur Verfügung.»
    Harry legte den Kopf schief. Er hatte diesen Ausdruck schon einmal gehört; ein britischer Offizier hatte ihn vor Jahren in seiner Gegenwart fallenlassen, ihm aber auch auf wiederholtes Nachfragen nichts weiter dazu erklärt.
    «Was zum Teufel ist denn dieses
Increment
? Eine geheime Abteilung?»
    «So was Ähnliches. Es wird für jeden Einsatz neu zusammengestellt, meistens aus Sondereinheiten der Luftwaffe. Das sind bestens ausgebildete Leute, die schon massenhaft verdeckte Operationen hinter sich haben. Viele von ihnen stammen aus den früheren Kolonien. Inder, Pakistanis, Araber und Leute aus der Karibik. Sie sprechen viele verschiedene Sprachen und sind an Brennpunkten gut einsetzbar, weil sie dort kaum auffallen. Zumindest glauben wir das. Wir vom SIS fordern sie für besondere Einsätze an, zum Beispiel, wenn wir in Sperrgebieten unangenehme Dinge zu erledigen haben. Diese Leute besitzen tatsächlich die sagenumwobene ‹Lizenz zum Töten›, so wie man sie von Agent 007 kennt. Für mich sind sie eine Mischung aus
James Bond
und
Mein wunderbarer Waschsalon
. Durch das Increment haben wir Möglichkeiten, die wir trotz unserer dehnbaren Geheimdienstgesetze sonst nicht hätten. Und du weißt nichts über das Increment, weil es diese Truppe streng genommen gar nicht gibt.»
    «Und du wärst tatsächlich bereit, diese erstaunlichen Geschöpfeder Regierung der Vereinigten Staaten leihweise zu überlassen?»
    «Nein. Aber ich wäre bereit, sie
dir
zu überlassen, Harry.»

15   London
    Adrian schlug Harry vor, bei ihm zu übernachten und mit ihm zu Abend zu essen. Man sah ihm an, dass er noch mit seinem amerikanischen Freund reden wollte. Harry schlug vor, zusammen mit Susan in ein russisches Restaurant zu gehen und dort bei ein paar Gläsern Wodka alte Erinnerungen an Moskau aufzufrischen, aber Adrian wollte lieber mit ihm allein sein. Er führte Harry ins
Mirabelle
, die Grand Dame unter den französischen Restaurants im West End. Als Susans Name fiel, hatte er ein merkwürdiges Gesicht gemacht, und Harry fragte sich, was der Grund sein mochte.
    Sie tranken schon vor dem Essen sehr viel Whisky, und plötzlich platzte Adrian damit heraus.
    «Susan und ich haben uns getrennt», sagte er.
    «Das tut mir leid», sagte Harry. Er wusste nicht, ob das die richtigen Worte waren, doch sie entsprachen der Wahrheit.
    «Das muss es nicht. Irgendwann musste es ja so kommen. Es wäre schon früher passiert, wenn Susan nicht immer geglaubt hätte, sie könnte alles in Ordnung bringen. Aber irgendwann war unsere Ehe dann am Ende.»
    «Aber warum? Susan hat immer gewusst, dass du andere Frauen hast, das hat sie Andrea gesagt. Und ich hatte immer den Verdacht, dass sie sich selbst hin und wieder einen Liebhabergönnt. Das fand ich ja gerade gut an euch, dass ihr so ein lebenslustiges Paar wart.»
    «Der Unterschied ist nur, dass Susan mir die Wahrheit über ihre Affären gesagt hat, während ich sie angelogen habe. Und die Lügen wurden immer größer. Ich habe noch ein weiteres Kind mit einer anderen Frau. Das hast nicht einmal du gewusst, stimmt’s? Susan wusste es auch nicht. Und das ist nicht einmal die Frau, mit der ich heute zusammen bin. Das Leben ist kompliziert, Harry.»
    «Wissen deine Kollegen davon?»
    «Natürlich. Glaubst du, ich bin bekloppt? Sie wissen alles. Das ist doch das Problem, nicht wahr, Harry? Nur in der Firma ist man ehrlich, ansonsten lebt man eine einzige große Lüge. Und irgendwann ist dann bloß noch die Lüge übrig.»
    «Du bist betrunken», sagte Harry.
    «Kann sein. Aber ich habe trotzdem recht. Das Problem bei unserem Beruf ist, dass wir gar nicht anders können als lügen. Es wird ja ständig von uns verlangt, verflucht nochmal. Wenn uns

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