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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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härteren Klang.
    »Sara. Das mit Ródenas«, der Vorname kommt ihm nicht über die Lippen, »war eine Tragödie. Wir werden es nie verstehen. Das entzieht sich dem menschlichen Verstand. Das Beste, was wir tun können, ist die Sache zu vergessen.«
    Sie nickt, doch Víctor bereut, dass er das Gespräch begonnen hat. Er schaut hinaus auf die Straße. Wie froh wäre er, wenn er einen eleganteren Ausblick genießen könnte, auf die Avenida Diagonal etwa. Als sich der Erfolg einstellte, als die Anti-Cellulite-Creme, der Star unter ihren Produkten, alle Verkaufsrekorde brach, da dachte er schon mal daran, mit dem Büro an einen repräsentativeren Standort umzuziehen. Aber so unwirtlich sich die leeren Straßen in diesem Industriegebiet am Hafen auch zeigen, will er nichts lieber als hinaus. Will nicht an ein Thema rühren, das nur düster ist, grausig.
    »Ich weiß«, sagt Sara. »Das habe ich auch versucht. Wir alle haben es versucht … Und trotzdem …«
    Sie hält inne, vielleicht weil er noch immer verlorenen Blicks dasitzt, mit den Gedanken woanders. Sie bemerkt es und senkt den Kopf.
    »Du möchtest nicht davon sprechen, nicht wahr?« In Saras Stimme schwingt Enttäuschung.
    »Jetzt nicht, Sara.« Er wendet sich ihr wieder zu. »Ich verstehe, dass es für alle ein harter Schlag war. Für mich auch. Ich hatte Vertrauen in ihn, habe ihn befördert.«
    Was nicht ganz richtig ist: Er hatte für den anderen Kandidaten votiert. Sílvia und Octavi Pujades, Gaspars unmittelbarer Vorgesetzter, stimmten für ihn. Und ein Schimmer in Saras Augen bedeutet ihm, dass sie es weiß, sie glaubt ihm kein Wort. Aber Víctor schiebt diesen Eindruck beiseite und spricht weiter, er möchte das Thema begraben.
    »Niemand kann wissen, was in den Köpfen der Menschen vor sich geht. Auch nicht, was bei ihnen zu Hause passiert, hinter verschlossenen Türen. Ródenas hat hier nur gearbeitet. Was er getan hat, so schrecklich es sein mag, hat nichts mit uns zu tun. Wir müssen es vergessen, im Interesse des Unternehmens. Um also auf deine Frage zu antworten: Nein, ich möchte nicht davon sprechen.«
    Sara hat zu ihrer üblichen Haltung zurückgefunden. Sie ist gekränkt, denkt Víctor. Aber es ist zu spät für einen Rückzieher; zu spät, sie zu fragen, was sie ihm sagen wollte. Ohnehin lässt sie ihm keine Wahl. Sie murmelt eine Entschuldigung, steht auf und geht zur Tür. Bevor sie hinaustritt, bleibt sie noch einmal stehen. Und für eine Sekunde scheint Sara entschlossen, kehrtzumachen und ihm an den Kopf zu knallen, was sie ursprünglich im Sinn hatte. Aber sie tut es nicht. Víctor versucht sie nicht anzuschauen, will ihr keine Gelegenheit geben, sich zu rechtfertigen. Doch auch so merkt er, dass in Saras Gesicht nicht mehr Enttäuschung liegt, nicht verletzter Stolz, sondern nur Traurigkeit.
    Das Taxi bremste abrupt in der Nou de la Rambla. Víctor zahlte, stieg mit einem knappen Abschiedsgruß aus und blieb, auch wenn er sich nach Paula sehnte, vor dem alten Eingang stehen, diesem Portal »mit Geschichte«, wie siesagte, und nahm sein Handy, um Sílvia anzurufen. Es gab Dinge, von denen er nicht zu Hause sprechen wollte, und andere, die seine Schwester nichts angingen, so dass er ihr lediglich eine kurze Zusammenfassung des Gesprächs mit dem Inspektor gab.

7
    Kristin Herschdorfer war begeistert von Barcelona. Sie sagte es mehrmals, als trüge ihr die hohe Meinung, die sie von der Stadt hatte, die Gunst des Beamten ein, der sie aufgesucht hatte, um etwas über ihre Mitbewohnerin zu erfahren. Woher sollte sie auch wissen, dass Fort selbst sich in der Gräflichen Stadt noch nicht recht wohl fühlte. Sie kam ihm zu groß vor, zu jeder Tages- und Nachtzeit voller Menschen und nicht unbedingt gastfreundlich. An diesem Morgen zum Beispiel musste er mehrere Runden drehen, ehe er den Wagen in der Nähe des Marktes von Collblanc geparkt hatte, und dann brauchte er ewig, bis er den Pasaje de Xile fand, die Straße, in der Sara Mahler gewohnt hatte. Und dennoch verstand er, dass für dieses vierundzwanzigjährige Mädchen aus Amsterdam allein die Tatsache, dass im Januar die Sonne schien, ein großes Plus für Barcelona war. Kristin besuchte einen Spanischkurs an der Universität, nicht weit von ihrem Haus, und wollte im September mit ihrem Master in Erneuerbare Energien beginnen. Verwirrend für die Holländerin war nur, so wie für die meisten Ausländer in der Stadt, die Zweisprachigkeit.
    »Aber jetzt habe ich einen katalanischen Freund«,

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