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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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ist sie rausgegangen. Abgesehen von der Arbeit, klar. Den ganzen Tag hat sie zu Hause gehockt, in ihrem Zimmer, vor dem Computer. Ich würde sagen, sie war facebook-süchtig. Mein Freund sagt, sie war auf der Suche nach … Sie wissen schon, Sex, aber das glaube ich nicht. Ich denke, sie stand nicht auf Sex.«
    Angesichts der verwunderten Miene des Polizisten wurde sie deutlicher.
    »Sie hat es mir gesagt. Nicht mit diesen Worten, aber sie hat es gesagt. Albert, mein Freund, schläft manchmal hier. Und eines Morgens, als er ging, sagte Sara, sie hätte uns gehört. Sie verstehen.« Kristin errötete leicht. »Und dann hat sie gesagt, ich soll doch bitte versuchen, keinen Krach zu machen. Aber ihr Gesicht sagte etwas anderes. Es war Ekel. Im Ernst, Ekel«, betonte sie, als wäre es für sie unbegreiflich.
    »Hatte sie keine Freunde? Oder Freundinnen?«
    Kristin schüttelte den Kopf.
    »Nicht, dass ich wüsste. Aber ich habe auch nicht viel mitbekommen. Ich habe nur wenig freie Zeit …«
    »Und hat es Sie nicht gewundert, dass Sara am Mittwochabend nicht nach Hause kam? Wenn sie kaum rausging …«
    »Doch, das hätte mich sehr gewundert. Aber ich war nicht in Barcelona. Alberts Eltern haben ein Haus in den Bergen, wir waren dort und sind erst am Sonntag zurückgekommen. Und da habe ich die Nachricht abgehört und die Polizei angerufen.«
    Fort räusperte sich.
    »Sie haben mit mir gesprochen.« Er machte eine kurze Pause. »Ich will Sie nicht bedrängen, aber glauben Sie, Sara wäre imstande gewesen, sich das Leben zu nehmen? Haben Sie sie einmal traurig gesehen, richtig traurig? Deprimiert?«
    Kristin dachte länger über die Antwort nach.
    »Na ja …«, sagte sie schließlich. »Wenn ich sie gewesen wäre, hätte ich an Selbstmord gedacht. Obwohl, klar, dann wäre sie ja nicht mehr sie gewesen.« Als sie das ratlose Gesicht des Polizisten sah, führte sie ihre Erklärung weiter aus: »Ich meine, Sara ging es gut. Sie schien nicht glücklich zu sein, aber auch nicht traurig. Nur als wäre sie immer besorgt. Manchmal wegen Kleinigkeiten, wie der Sache mit der Vase oder weil der Aufzug nicht funktioniert hat. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie sich vor den Zug …«
    Und zum ersten Mal schien Kristin wirklich klar zu werden, dass sich ihre Mitbewohnerin, die sie eben noch als eine einsame, frigide Frau mit einem Fimmel beschrieben hatte, auf die U-Bahn-Gleise geworfen hatte. Sie lief rot an, und ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie versuchte nicht einmal, sie zurückzuhalten.
    »Tut mir leid«, murmelte sie. »Schon komisch, hier so von Sara zu reden, während sie … Entschuldigung.«
    Kristin stand auf und rannte zum Badezimmer. Fort hörte durch die Tür, wie sie untröstlich weinte, wie ein kleines Mädchen. Er wartete geduldig, dass sie wieder herauskam, aber als klar war, dass es dauerte, erhob er sich von seinem Stuhl und besah sich die Wohnung.
    Es war eine unpersönliche Atmosphäre. Funktionale Möbel. Ein Bild, das schon seit Jahren dort hängen musste. DasSofa, vielleicht das neueste Möbelstück, verschwand unter einem Bezug, der sicher schon das frühere Sofa bedeckt hatte, in verschossenem Braun. Es lag auf der Hand, dass Sara sich aus der Einrichtung nicht viel gemacht hatte. Fort ging zu dem Regal, wo die Vase stand. Die Bruchstellen waren deutlich zu sehen. Kristin hatte recht, eine teure konnte es nicht sein. Es war ein klobiges Ding aus weißer Keramik, nichts Besonderes, so eine, wie man sie zusammen mit einem Blumenstrauß bekommt. Er wollte sich gerade wieder abwenden, als ihm auffiel, dass etwas in der Vase steckte. Er zog es heraus: eine Visitenkarte, mit dem Logo von Alemany Kosmetik. »Danke für alles« stand darauf, dazu zwei Unterschriften. Fort brauchte eine Weile, bis er die Namen entziffert hatte. Sílvia und … Der andere begann mit C, César. Ja, Sílvia und César. Ein Geschenk der Firma, dachte Fort, während er weiter durch die Wohnung ging, hin zu Saras Zimmer. Als er schon hineingehen wollte, hörte er die Badezimmertür.
    »Ich wollte gerade einen Blick in Saras Zimmer werfen«, sagte er, ohne sich umzudrehen.
    Kristin kam zu ihm, zögerte aber, ehe sie über die Schwelle trat.
    »Es ist erst das zweite Mal, dass ich hineingehe«, sagte sie wie zur Entschuldigung. »Sara hat mich gewarnt, als ich einzog.«
    Roger Fort nickte. Sara musste etwas Imponierendes gehabt haben, wenn ihre Verbote selbst nach dem Tod noch galten. Er hatte sie nur auf dem Foto in ihrem

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