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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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etwas an dem Baum. Als er hinschaut, begreift er, warum.
    An den Ästen hängen mehrere Hunde. Drei, soweit er erkennen kann. Man hat ihnen einen Strick um den Hals gebunden, und dort schaukeln sie nun wie Schmuck an einem gespenstischen Tannenbaum.
    »Hattest du Mühe herzufinden? Wenn man sich nicht auskennt, ist es im Dunkeln nicht leicht, sich in diesen Siedlungen zu orientieren.«
    Octavi Pujades empfing ihn in einem blauen Jogginganzug, den er mit derselben Ungezwungenheit trug wie seinen Anzug fürs Büro.
    »Na ja, ein bisschen schon«, sagte César, der zwanzig endlose Minuten an freistehenden Häusern vorbeigekurvt war, alle gleich, bis er vor dem gesuchten stand. Er fühlte sich verpflichtet hinzuzufügen: »Entschuldige, Octavi, dass ich einfach so hereinschneie …«
    »Red keinen Unsinn. Du hast vorher Bescheid gesagt, und außerdem freut es mich, dass du hier bist. In diesen Tagen fühle ich mich von allem abgeschnitten.«
    César nickte.
    »Wie geht es ihr?«, fragte er, noch in der Diele.
    Octavi Pujades zuckte die Achseln.
    »Was soll ich sagen. Im Juni hat ihr der Arzt nicht mehr als sechs Monate gegeben, und jetzt ist es fast Mitte Januar. Ich nehme an, es kann jeden Moment so weit sein … Aber komm rein, setz dich.«
    Das Wohnzimmer war geräumig, gemütlich, ohne sichtbaren Luxus, wenn auch geschmackvoll im Kolonialstil möbliert. Im offenen Kamin brannte ein Feuer, wofür César dankbar war.
    »Möchtest du etwas trinken? Ich könnte dir einen Whisky anbieten, aber du musst ja noch fahren.«
    César dachte an all die Kurven und schüttelte den Kopf.
    »Ich habe alkoholfreies Bier, für Besuch«, sagte Octavi mit einem Lächeln. »Setz dich, ich bring dir eins.«
    Er ging in die Küche, und César dachte, dass es besser wäre, wenn der Tod seine Frau holte, bevor Octavi mit den Kräften am Ende wäre. Er hatte Ringe unter den Augen, war stark gealtert. Octavi Pujades war noch keine sechzig, aber das letzte halbe Jahr, sagte er sich, kam zehn Jahren gleich. Wenn César ihn im Geiste mit dem Mann verglich, der im März des letzten Jahres an dem verfluchten Teambuilding-Wochenende teilgenommen hatte, schien seine ganze Person geschrumpft zu sein. Er war dünner geworden, und der Gewichtsverlust zeigte sich vor allem im Gesicht, an den spitzen Wangenknochen, an den eingefallenen Augen, schwarz wie ausgedrückte Kippen.
    »Hier, willst du ein Glas?«
    »Nein, nicht nötig, danke.«
    »Zum Wohl.«
    Sie tranken und schauten eine Weile ins Feuer. Octavi stellte das Bier auf einem kleinen Holztisch ab und nahm sich eine Zigarette.
    »Du rauchst nicht mehr, stimmt’s?«
    César wollte schon verneinen. Er hatte aufgehört, als es mit Sílvia ernst wurde, die hasste den Geruch von Tabak.
    »Nur ab und zu«, sagte er und nahm ebenfalls eine Zigarette.
    »Das ganze Gesundheitsgerede ist doch dummes Zeug«, sagte Octavi. »Eugènia hat nie in ihrem Leben eine Zigarette geraucht. Außerdem, an irgendwas müssen wir sowieso sterben.«
    Der letzte Satz war nicht besonders beruhigend, und César, der gerade seinen ersten Zug in fast elf Monaten nahm, spürte einen plötzlichen Anfall von Übelkeit, wenn auch nur kurz. Wie konnte man etwas mögen, was so scheußlich schmeckte, fragte er sich. Und zugleich war dieser Geschmack wie eine Wiederbegegnung mit einem alten Bekannten, einem Freund, den man schon so lange kennt, dass man ihm alles verzeiht. Der zweite Zug bekam ihm besser. Er trank noch einen Schluck Bier, ehe er anhob.
    »Du weißt, warum ich gekommen bin. Sílvia ist sehr nervös. Na gut, ich nehme an, das sind wir alle.« Ihm war seltsam zumute mit der Zigarette in der Hand, und er legte sie im Aschenbecher ab. Eine schmale Rauchsäule stieg zwischen ihnen auf.
    »Wie auch nicht. Das mit Sara war ein schrecklicher Schlag. Sich umzubringen auf eine so … so blutige Weise.« Er schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben.
    »Ja, aber das ist es nicht allein.« César suchte nach den richtigen Worten, er wollte keine Panik schüren. »Als das mit Gaspar passiert ist, na ja, da dachte ich, damit wäre es vorbei. Aber jetzt sind es schon zwei. Zwei Tote in weniger als vier Monaten, zwei Personen, die an diesem Wochenende dort waren. Zwei von uns. Und dann das Foto.«
    Octavi rauchte weiter, langsam. Der Schein des Feuers flackerte über sein müdes Gesicht.
    »Hast du wirklich geglaubt, das mit Gaspar wäre das Ende?«
    César holte Luft und wandte den Blick ab.
    »Er ist zu mir gekommen,

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