Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
einmal da, doch allein beim Gedanken an den Rückweg durch diesen Wald wurde ihm ganz anders. Einen Wald, der in der Dunkelheit kaum zu erkennen war, den er sich aber dicht vorstellte, bedrohlich.
Ein entgegenkommender Wagen signalisierte ihm mit einem kurzen Aufblenden, dass er das Fernlicht eingeschaltet hatte. Er hatte es gar nicht gemerkt, schaltete sofort aus und fuhr langsamer. Dass er nur ein paar Meter weit sehen konnte, beunruhigte ihn. Er war ein rücksichtsvoller Mensch,vorsichtig, und er hatte gelernt, dass es, wenn man ohne böse Überraschungen durchs Leben gehen wollte, das Beste war, die Dinge in Ruhe anzugehen und Schwierigkeiten vorauszusehen. Genau deshalb wollte er mit Octavi sprechen, hinter Sílvias Rücken. Es gab nur wenige Menschen, denen César vertraute, aber der kaufmännische Leiter war einer von ihnen. Bei seinem Alter, seinen Kenntnissen, seiner ganzen Lebenserfahrung war es angebracht, seine Meinung zu berücksichtigen. Ihm vertraute er sehr viel mehr als etwa Brais Arjona, diesem Lackaffen, vielleicht weil er noch nie Menschen über den Weg getraut hatte, die von der Norm abwichen und sich auch noch damit brüsteten. Nicht dass er etwas dagegen gehabt hätte, jedem seine Bettgeschichten, aber allein die Tatsache zog eine unsichtbare Grenze, und zusammen mit seiner arroganten Art verunsicherte es ihn. Als wäre er selbst ein dummer Normalo, ein fader und etwas beschränkter Vierziger. Von den anderen gar nicht zu reden: Amanda war ein junges Ding, und der Typ aus dem Labor konnte seltsamer nicht sein. Natürlich war da Sílvia, mit ihr hatte er alles lang und breit diskutiert, aber er hatte den Eindruck, ehe er einen klaren Gedanken fassen konnte, musste er mit einem älteren, verantwortungsbewussten Menschen sprechen. Einem Menschen mit solidem Lebenswandel.
Plötzlich huschte ein kleines Tier über die Straße, und César riss das Lenkrad herum. Verfluchter Wald, dachte er. Verfluchte Schatten. Verfluchte tote Hunde.
Er ist zu erschöpft vom Laufen. Er hat das steilste Stück hinter sich, und kaum ist er oben, verdüstert sich der Himmel. Es ist eine so plötzliche, so dicke Wolke, dass der Tag vor seinen Augen verschwindet, als erlebte er eine Sonnenfinsternis oder einen biblischen Fluch. Dann kommt die Sonne wieder zu Kräften, bis sie sich durchsetzt in diesem Kampfund erneut machtvoll erstrahlt. Erst jetzt sieht er, dass der Holzschuppen auf diesem blöden Plan, den man ihnen beim Aufbruch in die Hand gedrückt hat, noch etwa fünfhundert Meter entfernt ist, in der Mitte des Felds, neben einem alleinstehenden Baum mit kräftigem Stamm und kräftigen Ästen. César schnauft, völlig fertig, und sein Mund füllt sich mit saurem Speichel, als wäre es ein verkaterter Sonntag und nicht ein Samstag auf dem Land. Scheiß Natur, grummelt er, fast laut. Scheiß Outdoor-Teambuilding. Als organisierte er nicht schon seit Jahren die Teams im Warenlager. Als könnten diese Trainer ihm noch irgendwas beibringen.
Er schaut zurück. Seine Kollegen brauchen mindestens noch zehn Minuten, er kann also dort stehen bleiben, als Zeichen des Respekts vor der Gruppe, und dabei ein wenig verschnaufen. Er ist zu schnell gelaufen, denkt er, gleichwohl froh, als Erster angekommen zu sein. Endlich wird er Brais Arjona an diesem Wochenende einmal geschlagen haben. Konkurrenzdenken ist offenbar etwas, was jenseits der vierzig nicht erlahmt.
Jeweils zu viert, so die Anweisung, die der Trainer ihnen am Morgen gegeben hat. Eine rasche Auslosung, acht nummerierte Zettelchen in die Tüte. Er, Gaspar, Manel und Sara hatten gerade Zahlen gezogen, Brais, Amanda, Sílvia und Octavi die ungeraden. Jede der beiden Mannschaften hat mehrere Umschläge bekommen, darin Pläne mit Markierungen, die auf zwei unterschiedlichen Strecken zum selben Ziel führen. Ein echtes Wunderwerk der Fantasie, was die Organisatoren dieser Tage da vorgelegt haben, externe Berater, die die Umschläge wieder einkassieren, als verbärge sich darin die Geheimformel von Coca-Cola. Aber jetzt ist es so weit: Vor seinen Augen erstreckt sich eine Ebene, und dort hinten, sich abhebend von den erdgrauen Bergen, steht die verdammte Hütte. Oder der Schuppen oder was zum Teufel diese paar zusammengezimmerten Holzdinger sind,wo sich der Spur Nummer sieben zufolge, die Sara vorgelesen hat, die »Beute« befindet.
Eine Beute, die sich seine Mannschaft, wenn nichts schiefgeht, vor der von Brais holen wird. Er kann einfach nicht verstehen, warum es ihn
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