Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
wusstest du das?«, sagte Octavi. »Ende August, es waren die letzten Tage seines Urlaubs.«
»Und was wollte er?«
»Ich dachte, er wollte über die Arbeit sprechen, was sonst. Er sollte offiziell für mich einspringen, bis … bis das mit Eugènia vorbei wäre. Außerdem wissen wir alle, dass ich in ein paar Jahren in den Vorruhestand gehe, dann wäre Gaspar kaufmännischer Leiter von Alemany Kosmetik. Für ihn hieß das …«
»Schon klar. Und ich nehme an, für ihn hieß das auch, sich mit Martí Clavé herumzuschlagen«, sagte César.
Octavi zuckte die Achseln.
»Natürlich rechnete Martí damit, dass man ihn auswählte. Er ist älter, ist länger in der Firma, er war mein natürlicher Stellvertreter.«
Keiner der beiden machte eine weitere Bemerkung dazu. Octavi drückte die Zigarette im Aschenbecher aus, und César sah, wie seine Hand zitterte.
»Aber es war nicht nur das. Ich meine, Gaspar ist nicht nur gekommen, um über die Arbeit zu sprechen. Er war, wie soll ich sagen … durcheinander.«
»Hat er es bereut?«
Octavi seufzte leise, als hätte er noch Rauch im Mund.
»Ja, und ich habe ihn beruhigt, so gut ich konnte. Habe ihm auch versichert, dass er alles mitbringt für die Stelle. Dass er es verdient. Ich weiß nicht, ob ich ihn habe überzeugen können, auch wenn er mir, als er ging, schon einen etwas ruhigeren Eindruck machte. Und kaum eine Woche später erfahre ich, was er getan hat. Er war wohl dochschwächer, als wir alle dachten.« Er schwieg einen Moment, dann fragte er noch einmal: »Hast du wirklich geglaubt, Gaspars Tragödie wäre der Schlusspunkt?«
»Vielleicht habe ich mich geirrt.« Césars Kopf ging langsam hin und her. »Aber nicht eine Sekunde hätte ich gedacht, dass es den anderen derart an die Nieren ging. Sara zum Beispiel.«
»Wohl wahr. Und vielleicht, aber ich sage wirklich nur vielleicht, ist es damit ausgestanden.« Octavi Pujades beugte sich vor und dämpfte die Stimme. »César, das Schlimmste, was wir jetzt tun könnten, wäre nervös zu werden. Bisher hat es zwei Selbstmorde gegeben, ja. Ein junger Mann, der durchgedreht ist und seine Familie umgebracht hat, und eine Sekretärin, die das Alleinsein als alte Jungfer leid war. Ich selber glaube es, alle glauben es. Dass sie im selben Unternehmen gearbeitet haben, war bloßer Zufall. Zumindest hat keiner der beiden verraten, was passiert ist.«
»Das sagt Sílvia auch. Und das Foto?«
»Das ist ein anderes Thema. Nur einer von uns hat dieses Foto machen können. Das heißt du, Sílvia, Amanda, Brais, Manel oder ich, klar. Weißt du noch, wer an dem Tag eine Kamera dabeihatte?«
»Ich nicht. Sílvia hatte eine, glaube ich. Und Sara. Wahrscheinlich fast alle. Außerdem geht das mit dem Handy auch.«
Octavi nickte.
»’tschuldige, daran hatte ich nicht gedacht. Da merkt man, dass ich schon älter bin … Das Foto. Und dieser Satz: ›Vergiss das nicht‹.«
»Hast du es vergessen?«, fragte César. »Ich nicht. Ein paar Monate, ja. Nicht wirklich vergessen, aber … es hat sich vernebelt. Wie diese Geständnisse, die man im Suff von sich gibt oder bei einem Wutanfall, und am nächsten Tag fühlt man sich nur elend. Aber mit der Zeit verlieren sie ihre Bedeutung, und am Ende, wenn sie keine weiteren Folgen haben, verlieren sie sich in der Erinnerung.«
Octavi nahm sich noch eine Zigarette und lächelte, etwas matt.
»Ich glaube nicht, dass das ein gutes Beispiel ist, César.«
»Wahrscheinlich nicht, aber was soll’s. Nicht darüber wollte ich mit dir sprechen. Wir brauchen einen gemeinsamen Plan.«
»Sílvia hat mir am Telefon gesagt, dass ihr euch morgen trefft, so wie von Arjona in seiner E-Mail vorgeschlagen. Ich glaube nicht, dass ich dabei sein kann, aber ich bin einverstanden mit dem, was die Mehrheit beschließt.«
»Deshalb bin ich hier. Sílvia ist der Ansicht, wir sollten so weitermachen. Die Meinung der anderen ist mir, ehrlich gesagt, egal, auch die von Arjona, nicht weil es ihm an Verstand fehlte, sondern weil ich ihm nicht über den Weg traue. Ich möchte deine Meinung hören. Sie ist zu wertvoll, um sie außer Acht zu lassen.« Er sagte es in aller Aufrichtigkeit, flehte fast.
Octavi Pujades stieß den Rauch langsam aus. César kam es vor, als hörte er ein Stöhnen irgendwo im Haus.
»Es ist halb neun. Gleich muss ich ihr das Morphium geben. Es ist das Einzige, was ich für sie tun kann. Damit sie wenigstens nicht leidet.« Dann schaute er César in die Augen: »Ich weiß nicht, ob ich
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