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Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)

Titel: Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antonio Hill
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die Firma in Begleitung von Saúl Duque zu besichtigen.
    »Ich würde Ihnen das Haus selbst zeigen, Inspektor, aber ich habe in zehn Minuten ein Meeting.«
    »Ihr Bruder ist noch nicht zurück? Er sagte, er würde verreisen.«
    »Wie spät ist es?« Als sie sah, dass es schon Viertel nach elf war, antwortete sie: »Er müsste gleich kommen, aber vielleicht bringt er erst den Koffer nach Hause. Wollten Sie mit ihm sprechen?«
    »Nein, muss nicht sein. Vielen Dank für alles.«
    »Wenn Sie noch etwas benötigen, Sie wissen ja, wo Sie uns finden.« Sie war aufgestanden, ein unmissverständliches Zeichen, dass das Gespräch beendet war. »Ach ja, Herr Inspektor, ich vertraue darauf, dass Sie der Belegschaft gegenüber Diskretion wahren. Es hat schon genug Gerede gegeben nach dem Tod von Gaspar und Sara.«
    »Seien Sie beruhigt«, sagte Héctor, »ich werde alles tun, um Panik zu vermeiden.«
    »Ganz sicher, ich denke, ich kann mich auf Sie verlassen.«
    Es war ein falsches Lob. Die Zufriedenheit, die aus Sílvia Alemanys Stimme klang, war zu deutlich, als dass Héctor sie nicht bemerkte. Und irgendwie ärgerte es ihn noch mehr. Nur konnten weder er noch Sílvia wissen, dass diese selbstgefällige, überhebliche Art ein paar Stunden später in sich zusammenfallen sollte, als Víctor in die Firma kam und, hinter verschlossenen Türen, mit seiner Schwester ein vertrauliches Gespräch führte. Ein Gespräch, das noch den leisesten Anflug von guter Laune hinwegfegte.

22
    Während er über die dunkle, einsame Strandpromenade joggte, hatte Héctor die Hoffnung, die Anspannung würde sich in Form von Schweiß und Müdigkeit verflüchtigen, doch die kühle Abendluft machte es ihm nicht leicht. Auch das unsichtbare Meer, ein bewegtes, fast tosendes Rauschen, war keine große Hilfe. Also steigerte er das Tempo, wollte endlich jene Erleichterung spüren, die er nur in der Erschöpfung der Muskeln erreichte, wenn das Gehirn alle Sorgen auflöste und sich nur darauf konzentrierte, den Lauf durchzuhalten. Aber es schien unmöglich. Die Bilder des Tages, unangenehme zumeist, sprangen weiter durch die Erinnerung, wild und hartnäckig wie hungrige Piranhas.
    Savalls Anpfiff, dem er als erfahrener Ironiker auszuweichen versuchte, war in der Sache keine Überraschung gewesen, sehr wohl aber in der Form. Der Kommissar hatte ihm zugehört, war mit ihm auch einer Meinung, dass Bellver, Klartext gesprochen, ein Arschloch ersten Ranges sein konnte. Doch zugleich weigerte er sich zu glauben, dass Héctor nichts von der Entwendung der Akte Ruth Valldaura wusste. Und Savall hatte einen hohen Ton angeschlagen, zwischen feierlich und beleidigt, um klarzumachen, dass er »zutiefst enttäuscht« sei. Nach allem, was er für ihn getan habe, nachdem er ihn so unterstützt habe, als er ausrastete und diesen Mist baute, da erwarte er, wenn nicht Dankbarkeit, so doch zumindest ein wenig Loyalität. Und Aufrichtigkeit.
    Es gibt nichts Schlimmeres als eine Wahrheit, die wie eine Lüge aussieht, dachte Héctor. So viele Argumente er auch vorbrachte, der Kommissar hatte sich unbeeindruckt gezeigt und ihn auch noch bezichtigt, die UnterinspektorinAndreu zu benutzen, um auszuführen, »wozu du selbst nicht den Mumm hast«. Héctor, der Martina Andreu schon zweimal vergeblich angerufen hatte, beteuerte, von nichts zu wissen, und es schmerzte ihn, dass Savall ihm nicht glaubte. Wenigstens das würde sich bald aufklären, sagte er sich, während er endlich die Hitze der Anstrengung zu spüren begann. Martina würde am Montag aus Madrid zurückkommen, dann konnten alle miteinander sprechen. Im Grunde wunderte es ihn auch, dass die Unterinspektorin so etwas getan hatte. Unter anderen Umständen wäre es nicht von Belang gewesen, so aber, wo es einerseits um Ruth ging und andererseits um Bellver, hätte ihr klar sein müssen, dass die Folgen katastrophal sein konnten. Der letzte Satz des Kommissars, ausgesprochen in diesem väterlich verstimmten Ton, den Héctor mehr als alles verabscheute, war deutlich gewesen: »Du machst dir zu viele Feinde, Héctor. Und einen solchen Luxus kannst du dir nicht leisten. Nicht mehr. Irgendwann kommt der Moment, da kann auch ich dir nicht mehr helfen.«
    Falls der Hinweis darauf anspielte, er könnte Dídac Bellver eins in die Fresse geben, hatte der Kommissar sehr wohl Grund zur Sorge. Schon lange hatte Héctor diese dumpfe Wut nicht mehr gespürt, dieses körperliche Bedürfnis, jemanden zu verprügeln, und nur Fort hatte mit seinem

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