Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Auftauchen verhindert, dass es wieder passierte. Bellvers Gesicht, als er über Ruth und ihn herzog, sie als emotional labil hinstellte und ihn als gedemütigten Depp, es schrie geradezu nach einem dieser Schläge, die mit einem kurzen Knacken den Kiefer ausrenken. Während er lief, ahnte Héctor, dass Bellver genau das beabsichtigt hatte: Er wollte ihn provozieren, bis er die Nerven verlor, wollte noch einmal zeigen, dass Salgado ein irrer, gewalttätiger Argentinier war, der nicht nur einen Verdächtigen zusammenschlug, sondern auch einen Kollegen.
Aber ich habe mich beherrscht, dachte Héctor, auch wenn es nicht ganz sein eigener Verdienst war. Und erneut sagte er sich, dass am Montag einige Fragen geklärt würden, was ihm Kraft gab, auf dieser fast menschenleeren Promenade noch einmal das Tempo anzuziehen, neben sich die Wellen, die umso wütender zu tosen schienen, je ruhiger er wurde. Es sah nach Regen aus, am Himmel ballten sich die Wolken, in der Ferne leuchteten Blitze. Am klügsten wäre es gewesen, kehrtzumachen, aber Héctor war entschlossen, das Ziel, das er sich vorgenommen hatte, zu erreichen, die Schornsteine des alten Wärmekraftwerks von Sant Adrià, und er wollte nicht auf das Wenige verzichten, was er auch allein, nur mit eigener Anstrengung schaffte. Das einzige Ziel des Tages, das nicht vom Willen anderer abhing. Nicht davon, dass Leute wie Sílvia Alemany ihm die Wahrheit sagten.
Unterm Strich war sein Besuch bei der Kosmetikfirma so ergebnislos gewesen wie befürchtet, und was Fort zu berichten wusste, deutete ebenso wenig auf eine außergewöhnliche Enthüllung. Die Angestellten schienen im rechten Maße erschüttert über die beiden Todesfälle, brachten sie jedoch in keinerlei Zusammenhang. Die Bemerkungen der Leute, so Fort, erschöpften sich darin, dass Sara Mahler eine seltsame Frau gewesen sei, »ohne einen Mann an ihrer Seite« – was Salgado nach dem muffigsten Sexismus klang –, und dass Weihnachten traurig sei für all jene, die allein lebten. Wohl wahr, sagte er sich, während er die ersten Regentropfen spürte, so vereinzelt noch, dass er dachte, sie kämen vom Meer. Die Sache mit Gaspar Ródenas lag für die meisten weit zurück; als es geschah, hatten sie bis zum Überdruss davon gesprochen, und jetzt hatten sie wenig hinzuzufügen.
Das Einzige von Belang war, dass er mit seiner Ahnung zu Ródenas’ Aufstieg richtiglag. Fort hatte sich eine Weile an der Kaffeemaschine mit den Leuten unterhalten, und demnach hatte Martí Clavé, der andere Kandidat, es schwerergenommen, als Sílvia Alemany einräumte. »Wie es scheint, wären sie beinahe handgreiflich geworden«, sagte Fort. »Dieser Clavé hat Ródenas in den ersten Tagen auf seinem neuen Posten nur widersprochen und keinen Hehl daraus gemacht, dass er die Beförderung für ungerechtfertigt hielt.«
Gaspar, hieß es, habe nicht auf die Provokation reagiert und nur geschwiegen. Und als die Nachricht von seinem Tod die Runde machte, von der Ermordung seiner ganzen Familie, habe Martí Clavé, völlig niedergeschlagen, mehrere Tage mit keinem gesprochen.
All das passte zusammen: Beförderungen, ob verdient oder nicht, Mitarbeiter, die sich zurückgesetzt fühlten. Das gab es überall, ständig, und bedurfte keiner weiteren Erklärung. Nichts davon stand in irgendeinem Zusammenhang mit Sara Mahler, mit den aufgeknüpften Hunden und auch nicht mit seinem Gefühl, dass Sílvia Alemany und die anderen Teilnehmer dieses Wochenendes ihn dreist belogen.
Der Regen war nun da, und Héctor wusste, dass er klatschnass würde, trotzdem lief er weiter. Zu viel Frust hatte er angesammelt, um jetzt noch aufzugeben, zu viel Unmut, und der war auf seinem Rundgang durch die Firma immer stärker geworden. Saúl Duque, sein Begleiter, war ein sympathischer Kerl und immerhin so redselig, dass er ein paar Sachen aus ihm herausbekam, auch wenn die im Nachhinein nur wenig taugten: Er war glücklich, dort zu arbeiten, direkt unter Sílvia Alemany, einer harten, aber gerechten Chefin; die Krise zog die Firma nicht übermäßig in Mitleidenschaft, auch wenn zu befürchten stand, dass die Lage sich verschlechterte, da die von der Regierung vermeldeten zarten Knospen des Aufschwungs nirgends zu sehen waren; es herrschte eine gute Atmosphäre im Haus, trotz der tragischen Todesfälle. In einem zumindest war Saúl sehr bestimmt gewesen: »Gaspar war nervös, aber ich hätte nie gedacht, dass er einmal so den Kopf verliert. Ich bin sicher,dass da noch
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