Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
und klammerte sich an ihn wie ein vom Gewitter verängstigtes Kind.
»Ich mag keine kleinen Mädchen«, sagte César, und seine Stimme klang merkwürdig rau. »Wenn du willst, dass ich dich wie eine Frau behandle, dann tu so, als wärst du eine.«
César sah ihr Gesicht nicht, aber es war auch nicht nötig. Ihm genügte der Kuss, den sie ihm gab, und er wusste, waser wollte. Was beide wollten. Nach diesem jungen, unerfahrenen Kuss wusste er, dass nichts mehr aufhalten konnte, was unvermeidlich war. Emma sagte nur einen Satz, ihr Mund an seinem Ohr.
»Tu mir nicht weh, bitte.«
Und dann küsste er sie, leidenschaftlich, zärtlich, nahm sie bei der Hand und führte sie zu ihrem Bett. Er spürte ein unbändiges Verlangen nach diesem Körper, der sich ihm darbot. Wünschte sich, er würde es gut machen. Und wäre, wenn auch nur für eine einzige Nacht, der beste Liebhaber der Welt.
Als er ins Schlafzimmer zurückkam, war es schon nach fünf. Sílvia schlief. Das Unwetter war vorüber, die Kühlschranktür stand noch offen.
César legte sich hin, erschöpft, und schloss die Augen. Doch die Skrupel über das, was er eben gemacht hatte, und die Erinnerung an die Drohung, die Sílvia ignoriert hatte, hielten ihn hoffnungslos wach.
24
Der Sonntag zeigt sich mit einem matten, verkaterten Himmel, trüber noch als am Tag zuvor. Amanda liegt im Bett, rekelt sich, wälzt sich, genießt dieses absurde Glück, faul sein zu dürfen, wenn nichts oder fast nichts einen zwingt aufzustehen. Anders als die meisten Menschen hat sie Gewitter schon als Kind gemocht. Dieses Schlachtgetümmel am Himmel stimuliert sie, und das Gefühl, geschützt zu sein, im Trockenen, in Sicherheit vor Donner und Blitz, erfüllt sie mit einer fast kindlichen Freude. Außerdem war der Regen die perfekte Entschuldigung, nicht mit ihren Freunden auf die Piste gehen zu müssen, eine Piste, welche die Samstagabende schon zu einem eintönigen Parcours gemacht hat: Essen im La Flauta, der erster Drink irgendwo in der Nähe und dann noch einer im Universal, bevor man im Luz de Gas landet.
Die Variationen sind so minimal, die Orte einander so ähnlich, dass sie manchmal nicht mehr weiß, in welcher Bar oder in welchem Club sie am letzten Samstag war. Außerdem trinkt Amanda keinen Alkohol – der Geschmack ist ihr zuwider –, und die aufdringlichen Kerle, die sich an sie heranschmeißen, um sie auf ein Glas einzuladen und im Gegenzug zu betatschen, sind nur abstoßend. Aber sie geht weiter aus, mit den immergleichen Freunden, auch wenn es ihr zunehmend schwerfällt. Die meiste Zeit ist sie wie abwesend, sie denkt nur an Sonntag, daran, was er mit ihr macht, an die Gefühle, die dann in ihrem Körper explodieren. Die Leute wundern sich, dass sie keinen festen Freund hat, nicht mal einen Typen für zwischendurch, und so hat sie der ein oder anderen guten Freundin von der Existenz dieses jungen Mannes »mit gewissen Vorzügen« erzählt, jemand vonder Arbeit, über den sie nichts weiter sagen will. Und alle sind beruhigt. Ist ja auch undenkbar, dass ein so hübsches Mädchen mit niemandem ins Bett geht.
Es ist fast elf, als Amanda dann doch aufsteht. Als Erstes ruft sie ihre E-Mails ab, wie immer mit der vagen Befürchtung, er könnte sie versetzen und die Nachricht mit den zu befolgenden Anweisungen bliebe aus. Tatsächlich ist es schon einmal vorgekommen, eine unerwartete Strafe, und die war noch unerträglicher als alles, was er sich sonst ausdenkt. Doch heute wird es nicht so kommen, er hat es ihr am Freitagabend telefonisch angekündigt, gegen neun. Er ruft sie jeden Freitagabend an, egal wo sie ist. Und sie muss antworten, das ist Teil der Abmachung. Deshalb hatte sie sich auch, an diesem schrecklichen Wochenende mit Brais und den anderen, abends vom Haus entfernt, um den Anruf anzunehmen.
»Berühr dich, streichle deine Brüste unter dem Hemd. Reib dich und denk dran, dass ich da bin, dass ich dich beobachte, dass ich dich auspeitsche, wenn du mir nicht zu Willen bist. Ich will hören, wie du stöhnst.«
Nein, sie will sich nicht daran erinnern. Nicht an diesem Sonntag. Sie hat es oft genug. Sie kann es niemandem erzählen. Das mit Sara hat ihr gereicht …
Eine Unachtsamkeit, ein unverzeihlicher Fehler. Nach dem Wochenende hatten sie ihre privaten Mailadressen ausgetauscht, alle acht, falls es etwas mitzuteilen gab. Tatsächlich benutzten sie die kaum, und sie selbst berücksichtigte immer die Weisung: Nach dem Lesen sämtliche Spuren löschen. Aber
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