Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
zunichtegemacht.
Martina Andreu zeigte zum Gruß ein kleines Lächeln, doch sofort wurde ihre Miene ernst.
»Komm mit. Wir müssen diesen Mist klären.«
Héctor blieb keine Zeit, sie zu fragen, wie sie von allem erfahren hatte, auch wenn es nicht schwer zu erraten war: Irgendwann am Montagnachmittag oder an ebendiesem Dienstagmorgen musste jemand, wahrscheinlich Fort, es ihr gesagt haben. Wie auch immer, Héctor kam mit.
Martina Andreu klopfte entschlossen an Kommissar Savalls Tür, und ohne auf eine Antwort zu warten, öffnete sie und trat in sein Büro, gefolgt von Héctor.
»Andreu … Sieht man dich mal wieder.« Savall hatte sich nie die Mühe gemacht, seine Sympathie für die Unterinspektorin zu verbergen. »Läuft’s gut mit Calderón und seinen Leuten?«
Sie schnaubte, als wären Calderón und seine Leute und auch die russische Mafia ihr in dem Moment egal.
»So weit alles prima.« Und dann schlug Martina Andreu einen förmlichen Ton an, anders als sonst, wenn die drei hinter verschlossener Tür miteinander sprachen. »Herr Kommissar, ich möchte Ihnen mitteilen, hier und vor Inspektor Salgado, dass ich die Akte von Ruth Valldaura eigenmächtig aus Bellvers Archiv genommen habe. Weder Héctor noch sonst jemand wusste davon.«
Savall schaute sie fest an. Ob er ihr glaubte oder nicht, war ihm nicht anzusehen, aber die Deutlichkeit der Unterinspektorin ließ keine Widerrede zu.
»Und darf man wissen, warum?«
Martina zögerte, so dass Salgado und auch Savall schon ahnten, dass ihre Erklärung nicht unbedingt der ganzen Wahrheit entspräche. Sie merkte es, und bevor sie mit der Ausrede kam, die sie sich halbherzig zurechtgelegt hatte, sagte sie nur knapp:
»Nein.«
Bei jedem anderen seiner Untergebenen hätte diese Weigerung den Kommissar in die Wut getrieben, und die konnte gewaltig sein. Doch da Martina Andreu es gesagt hatte, war er einfach nur sprachlos.
»Ich entschuldige mich bei Bellver, wenn Sie es für notwendig halten.«
Savall machte eine wegwerfende Handbewegung, als wäre es absurd, Wörter wie »Entschuldigung« und »Bellver« in einem Atemzug zu nennen.
»Lass nur. Das macht es bloß noch schlimmer. Ich spreche mit ihm.« Dann wandte er sich zu Héctor, der die Szene stumm beobachtet hatte. »Am besten wird es sein, wenn ihr Bellver und seinen Leuten ein paar Tage aus dem Weg geht. Bloß keine Reiberei, verstanden?«
Er sprach von ihnen beiden, aber ohne Zweifel war Salgado gemeint.
»Zu einer Reiberei gehören immer zwei, Kommissar.«
»Ich weiß.« Savall seufzte. »Belassen wir es dabei. Héctor, wie sieht es aus im Fall der Kosmetikfirma?«
»Wenn ihr das besprechen wollt, lasse ich euch allein«, meinte die Unterinspektorin.
»Sag Fort bitte, er soll herkommen«, sagte Héctor. »Er war heute Morgen bei Pujades, um ihn zu vernehmen, und ich habe noch nicht mit ihm sprechen können. Allerdings bezweifle ich, dass er etwas aus ihm herausbekommen hat.«
»Ich schicke ihn euch gleich. Aber behandelt ihn gut, ja? Macht ihn nicht zur Schnecke, sonst räche ich mich.«
Sie lächelte, und die freundschaftliche Verbundenheit, die es früher immer zwischen ihnen gegeben hatte, blitzte für einen Moment wieder auf.
»Danach unterhalten wir uns, Andreu«, sagte Savall. »Du musst mir erzählen, wie es dir drüben ergangen ist.«
Eine ganze Weile sprachen Savall und Salgado über die Selbstmordfälle, unter dem aufmerksamen Blick von Roger Fort, der zu schüchtern war, um sich einzubringen, es sei denn, eine Frage ging direkt an ihn.
»Das heißt«, sagte der Kommissar und versuchte zu rekapitulieren, »wenn die Verstorbenen nicht in derselben Firma gearbeitet hätten, hätten wir drei Fälle von Suizid, davon einer, und damit meine ich Amanda Bonet, den man auch als Unfall bezeichnen könnte.«
Salgado schüttelte den Kopf.
»Dafür hat sie zu viele Schlaftabletten genommen, Kommissar. Laut ihrem Geliebten war es nicht das erste Mal, dass sie dieses ›Spiel‹, wie er es nennt, gespielt haben.«
»Gut, dann also drei Selbstmorde.«
»Mit fünf Opfern«, präzisierte Salgado. »Die Frau von Ródenas und seine Tochter dürfen wir nicht vergessen.«
»Wie könnte man das.« Savall schwieg einen Moment, um seine Gedanken zu sortieren. »Fangen wir ganz vorne an. Gaspar Ródenas. Kurz zuvor befördert, ebendrum unter Druck, aber, soweit bekannt, ohne weitere Probleme.«
»Richtig. Und sein Fall wurde eingeordnet unter Gewalt gegen Frauen. Nur gab es nie eine Anzeige seiner
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