Der einzige Ausweg: Ein Barcelona-Krimi (suhrkamp taschenbuch) (German Edition)
Besseres zu tun, als über Familiengeschichten zu reden.«
»Schon in Ordnung.« Er schaute auf die Uhr. »Aber jetzt müsste ich langsam zurück.«
»Klar.«
Sie protestierte kurz, als er ihren Kaffee bezahlte, aber der Inspektor bestand darauf. Sie gingen in dieselbe Richtung, er zum Kommissariat, sie zur Metrostation.
»Inspektor«, sagte Mar. »Ich weiß, ich bin in dem Fall nicht sehr objektiv, aber glauben Sie mir, Gaspar war ein guter Mensch. Er hätte etwas so Schreckliches nie getan.«
»Wenn es um Menschen geht, ist niemand objektiv«, sagte er fast gerührt. »Mar, darf ich dich etwas fragen?« Er hatte sich gerade daran erinnert. Es war vielleicht kein bedeutendes Detail, aber auch das musste geklärt werden. »Gehörte Gaspar irgendeiner Tierschutzvereinigung an, einer Umweltgruppe?«
Mar schien verblüfft.
»Nicht dass ich wüsste. Könnte natürlich sein … Fragen Sie mich aus einem bestimmten Grund?«
Salgado schüttelte den Kopf.
»Jemand hat es mal erwähnt, aber ist nicht so wichtig. Mach dir keine Gedanken.«
Als Héctor in sein Büro kam, war Fort schon gegangen, und auch Martina Andreu sah er nicht an ihrem Schreibtisch. Ihm fiel ein, dass er Lola anrufen und ihr vorschlagen könnte, ihn am nächsten Tag zu dem Haus in Garrigàs zu begleiten. Es entsprach zwar nicht gerade den Vorschriften, aber er war sich sicher, dass sie Lust dazu hätte, und er vertraute auf ihre Diskretion. Sie ging nicht ans Handy, er musste ihr eine Nachricht hinterlassen. Kurz darauf bekam er eine SMS mit einem schlichten: »Ok. Bis morgen.«
Die Antwort war so knapp, dass ihn ein Gefühl von Traurigkeit überkam, und ein paar Sekunden starrte er auf das Display, sauer auf sich selbst, voll Wehmut an eine Narbe rührend, die nur nach irgendeinem Grund zu suchen schien, wieder aufzubrechen. Nein, korrigierte er sich, es war nicht irgendein Grund.
Er wollte das Handy schon auf dem Tisch beiseiteschieben, so wie man den Boten verbannt, der eine unerwünschte Nachricht bringt, als ihm sein Termin beim Therapeuten einfiel, gleich am nächsten Morgen. Er hob die Verbannung auf und suchte im Telefonbuch nach der Nummer, um abzusagen. Plötzlich kam ihm der Gedanke, dass der Junge ihm vielleicht helfen könnte, nicht ihm selbst, aber in dem Fall. Er hoffte, dass er noch in der Praxis war und ein paar Minuten für ihn hätte. Und wie es das Gesetz des Ausgleichs so wollte, hatte er wenigstens hier Glück.
Zum ersten Mal telefonierte Héctor mit ihm, und es kamihm seltsam vor, ihn nicht vor sich zu haben. Er wusste nicht, ob es Telefontherapien gab oder, vielleicht eher noch, per Skype, aber ihm war nicht nach langen Vorreden zumute, so dass er das Gespräch rasch auf den Punkt brachte.
»Sie wollen mit mir über Selbstmord sprechen, Herr Inspektor?«
»Ja, aber keine Angst, es geht nicht um mich. Das ist kein Vorwand, um meine verborgenen Wünsche loszuwerden.«
Am anderen Ende war ein unterdrücktes Lachen zu hören.
»Ich wäre nie auf die Idee gekommen, dass Sie ins Profil eines Selbstmörders passen, Inspektor.«
»Nein, ich nehme an, meine Aggressivität richtet sich eher nach außen als nach innen. Aber im Ernst, gibt es so etwas wie ein Suizidprofil?«
»Profil würde ich es nicht direkt nennen. Aber es gibt Persönlichkeitszüge, die je nach den Umständen das Risiko erhöhen, dass ein Mensch diesen Schritt tut.«
»Ich will ganz offen sein. Ich ermittle zu drei möglichen Selbstmorden. Und alle drei Personen hatten gemeinsam, dass sie in derselben Firma arbeiteten.«
Falls der Psychologe davon gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken.
»Und Sie wollen mich fragen, ob die Möglichkeit besteht, dass das Arbeitsumfeld zu den Suiziden geführt hat?«
Es war zwar nicht genau seine Frage, aber Héctor ließ ihn reden. Später würde er präzisieren, was er wissen wollte.
»Das Thema ist recht komplex, Inspektor. Man kann kaum davon sprechen, ohne Theorien anzuführen oder Experimente zu erklären, mit Begriffen, die für die meisten Leute unverständlich sind.«
»Versuchen Sie es. Nach sechs Monaten Therapie bin ich Fachmann.«
Ein paar Sekunden war es still.
»Na schön. Dann lassen Sie mich eins vorausschicken. Selbsttötung wird bei uns als Sünde betrachtet oder als widernatürlicher Akt, auch wenn diese Vorstellung nicht auf der ganzen Welt geteilt wird. In anderen Kulturen ist er ein würdiger Ausweg. Denken Sie an die antiken griechischen Philosophen oder, in jüngerer Zeit, an die
Weitere Kostenlose Bücher