Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
die Sohlen seiner Walkingschuhe quietschten auf dem Parkett, im Laufen seilte er geschickt den Koffer ab, ließ das Sakko hinterher fallen, öffnete seinen Gürtel, im Zieleinlauf schlug er mit der Handfläche gegen den Lichtschalter, Licht an, Lüftung an, warf sich auf die Schüssel, die Tür ließ er offen, damit sie hören konnte, wie er gleich anfing, über seinen Tag und seine Nacht zu erzählen, seitdem wir uns das letzte Mal gesehen haben, fast 24 Stunden, ein Wahnsinn, Familie, Freunde, Arbeit, entschuldige, ich musste so viel telefonieren, dass der Akku leer gegangen ist … An dieser Stelle hörte er, wie die Eingangstür ins Schloss fiel.
Flora?
...
Bist du noch da?
Nein. Oder sie war so leise wie eine leere Wohnung.
Mach dir keine Illusionen. Du kennst sie. Wenigstens ein bisschen. Ergänze stattdessen das Bild, das du dir vorhin im Vorbeirennen von ihr gemacht hast. Stand sie etwa in ihrem weißen Nachtkleidchen oder irgendeinem anderen, für den Hausgebrauch bestimmten Kleidungsstück da? Oder war sie vollständig angezogen und hatte sie einen kleinen Rucksack über die Schulter geworfen? War ihr Gesichtsausdruck verschlafen lächelnd, wissend, etwas enttäuscht, aber bereits verzeihend, in Wahrheit einfach resigniert? Oder war sie blass, leidverhärtet und bereits von einer Ferne, dass du dich ihr höchstens nur noch zu Füßen hättest werfen können, nicht, um deine Zerknirschung zu zeigen, sondern, um sie mit deinem Körper aufzuhalten, wenigstens noch für ein Weilchen, noch auf ein Wort …
Sonst kein Mann schneller Entscheidungen, besonders nicht, wenn körperlicher Einsatz damit verbunden ist, sprang Kopp auf, zog sich im Laufen wieder an - Warten auf den Fahrstuhl: sinnlose Zeitvergeudung - rannte vier Doppeltreppen hinunter, stieß die Tür auf, links herum.
Er hatte Glück, alle drei Abschnitte des Fußgängerüberwegs hatten Grün, er rannte hinüber, auf die andere Seite der großen Straße, in die Seitenstraße, da ist der Taxistand, da stand ein Taxi, schon halb herausgefahren aus dem Stand, aber es hatte noch nicht auf die große Straße einbiegen können, weil man dort ja Rot hatte. Und jetzt Grün, aber das Taxi konnte immer noch nicht fahren, weil es erst die Kolonne vorbeilassen musste, Glück muss der Mensch haben und Entschlossenheit: Kopp riss die hintere Beifahrertür auf und warf sich auf den Rücksitz.
Wenn jetzt dort nicht deine Frau sitzt …
Aber sie saß da, ganz in die Ecke gerückt, schaute beim gegenüberliegenden Fenster hinaus.
Der Fahrer erschrak und empörte sich, natürlich.
Alles in Ordnung, sagte Kopp, ich bin der Ehemann. Und, weil er auf diese Weise mit den wenigsten Rückfragen rechnete: Fahren Sie los!
Das Taxi fuhr los.
Es tut mir leid, dass ich
mich den ganzen Tag nicht gemeldet habe
schon seit Tagen nicht
aber es stimmt nicht, dass mir meine Familie wichtiger wäre
natürlich bist du auch meine Familie, in erster Linie du
es stimmt nicht, dass du mir, sobald du mir aus den Augen
bist, aus dem Sinn wärst, nie, und ich denke auch nicht
ausschließlich Sexuelles
es tut mir leid, dass ich solange telefoniert habe, bis der Akku
leer war
und dass ich ihn auch später nicht auflud, so dass ich deine
Nachrichten gehört hätte
aber warum hast du nicht im Büro angerufen, als ob du’s
nicht hättest ahnen können
aber es stimmt nicht, dass mir meine Arbeit wichtiger wäre
tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast
dass es dir nicht gut ging
dass ich nicht gleich, als ich davon gehört habe, gekommen
bin, um dich zu trösten, dir beizustehen, dir das Kreuz zu
massieren. Obwohl du vielleicht gar nicht weißt, dass ich
davon weiß. Aber es könnte auch sein, dass du’s weißt.
Und wenn du mich dann beim Heucheln erwischst, habe
ich noch schlechtere Karten als sowieso schon. Also gebe
ich es lieber gleich zu. Ja, ich habe davon gehört, aber ich
dachte, du schläfst wahrscheinlich schon. Ich wollte dich
schlafen lassen. Das ist die Wahrheit.
Es tut mir leid.
Während sie schweigend Taxi fuhren. Sie weiß, was ich denke, was ich sagen würde, sie weiß auch, dass es mir wirklich leidtut, so leid es einem eben tun kann, wenn man der Meinung ist, dass man sowieso nicht hätte anders handeln können. So leid es einem eben tun kann, der dich zwar aufrichtig liebt, sich aber über deine Untiefen keine Vorstellung machen kann, sich einfach keine Vorstellung machen kann, und deswegen ist es auch egal, es braucht mir nicht leidzutun, es wäre
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