Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman
sowieso nicht viel gewesen, das ich hätte tun können.
Oder, andere Variante: Du hättest durchaus was tun können! Da sein! Das macht einen Unterschied! Aber du bist nie erreichbar! Sie weiß das, versucht es dennoch immer wieder. Obwohl sie doch weiß, dass es sinnlos ist. Dass ihr Gefühl, verlassen und verraten zu sein, ja, verraten, dadurch nur noch größer wird. Und natürlich ist es auch demütigend. Aber ein Mann kann das sowieso nicht verstehen.
Könnte man es riskieren, wenigstens ihre Hand zu berühren? Entweder, sie lässt es apathisch zu, oder, in der anderen Variante, wäre das der berühmte letzte Tropfen: Sie bekommt einen hysterischen Anfall, der Taxifahrer wird alarmiert, eilt ihr zur Hilfe und schmeißt Kopp aus dem Wagen, oder, wenn er einer von den rüpelhaften ist, schmeißt beide aus dem Wagen, das wäre dann wieder gut, Hauptsache, wir wären zusammen. In demselben Raumsegment. Dann kann man immer noch was tun.
Draußen tauchte der Hauptbahnhof auf, er ist nicht weit von dort, wo wir wohnen, und Kopp entschied sich gegen jede Berührung. Wir steigen sowieso gleich aus. Für den Moment muss es reichen, dass ich körperlich da bin. Geduldet.
Das Taxameter zeigte 8,90, Flora gab einen 10er hin und sagte: Danke.
Dass deine Stimme noch einen Klang hat, erfüllt mich mit Hoffnung.
Sie gingen in den Bahnhof hinein, blieben vor der großen Anzeigetafel stehen. Kopp sah nichts, das er verstanden hätte, Flora fand schnell, wonach sie gesucht hatte, ging wieder los.
Wollte wieder losgehen, da stand er mit seinem großen Körper, um den muss man herumgehen, jetzt breitete er auch noch die Arme aus und umschloss sie, drückte sie an sich, sie und ihren Rucksack, das irritierte ihn für einen kurzen Moment, dann: egal, umarme ich deinen Rucksack eben mit.
Was ist passiert?
Sie schüttelte nur den Kopf.
Lass mich los, ich krieg keine Luft!
Er wollte - wir sind in der Öffentlichkeit - nichts tun, das nach einer Rangelei ausgesehen hätte, er ließ sie nach geringen Widerständen los. Er griff nach dem Rucksack, lass mich wenigstens den Rucksack tragen, aber sie ließ nicht los, sie riss Kopp, der den frei hängenden Schultergurt angefasst hatte, mit, er stolperte und ließ los, schloss aber gleich wieder auf und ging dicht neben ihr. Er berührte sie nicht aktiv, aber es war eine Berührung da. Wir gehen so, wie Fremde niemals miteinander gehen würden. Wir sind nicht gerade die ägyptische Blockstatue eines Ehepaars, aber wir sind uns nah .
Sie fuhren Rolltreppe, sie gingen Treppen hoch, auf einen Bahnsteig, zu einer Bank, das heißt, zu dem, was heute auf einem Bahnsteig eine Bank ersetzt: vier miteinander verbundene Sitze aus Drahtgeflecht. Man kann dadurch nicht mehr ganz so nah sitzen. Auf dem Bahnsteig wartete man auf die Ankunft eines Regionalzugs. Vom Bahnhof muss man noch den Bus
nehmen, der kommt selten, und auch dann muss man noch 1 km laufen, bis man im Waldstück ist. Ohne Bus: 5 km. Bis zur Einfahrt des Zuges waren es noch 12 Minuten. Ich weiß, du wirst sowieso fahren, aber solange (Bitte, rede mit mir):
Stell dir vor, ich habe mich aus der Wohnung ausgeschlossen.
...
Ich habe den Schlüssel drin liegen lassen. Ich bin ohne alles los.
...
Gräm dich nicht. Wir schaffen es das nächste Mal.
...
Und wenn nicht: Eigentlich sind wir doch auch so glücklich.
(Wovon, verdammte Scheiße, redest du?) Sie schüttelte den Kopf. Schüttelte und schüttelte nur den Kopf. Er war schon darüber froh. Eine Reaktion. Sie schüttelte den Kopf.
Ich schaffe es nie. Ich schaffe es einfach nie.
Das stimmt nicht, sagte Kopp, noch um eine Stufe mehr erleichtert, weil sie sprach. Andere Leute … Und selbst wenn: noch einmal: Wir sind doch auch so glücklich.
Wovon, verdammte Scheiße, redest du?
Sie, für ihren Teil, redete nicht von der Schwangerschaft. Sie redete vom Job!
Von welchem Job?
DU FRAGST MICH: VON WELCHEM JOB? Von meiner Verpflichtung auf Lebenszeit als Königin der Welt, was denn sonst?!
Was wird schon passiert sein?
Sie hatte ihn zum Bahnhof gebracht, sie blieb auf dem Bahnhof, wartete auf Gaby. Jemand bettelte sie an, explizit nach 2 Euro fragend. Damit ich mir was leisten kann. Sie hatte keine 2 Euro. Wären Sie auch mit nur 1 zufrieden? Der abgerissene alte
Mann - Hatte er chinesische Turnschuhe an? Vielleicht - sah sie verstört an, nahm den Euro und schlurfte davon. Sie hörte noch, wie er irgendetwas von »großzügig« murmelte. Das tat ihr weh. (So etwas
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