Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman

Titel: Der einzige Mann auf dem Kontinent - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luchterhand

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aufgab? War sie ihm deswegen gar nicht mehr gram, war sie einfach nur …?

    Die Lautsprecher auf dem Bahnsteig kündigten die Verspätung ihres Zuges an. Circa 10 Minuten Verspätung. Die Lautsprecher waren zu laut eingestellt, man konnte nicht einmal mehr die eigenen Gedanken hören. Als das wieder möglich war, als man auch wieder reden konnte, sagte Kopp:
    Gräm dich doch nicht wegen dem Scheißjob. Das war doch sowieso nicht … Das war doch … Scheiße.
    (Danke, dass du mir sagst, dass ich mich für etwas vollkommen Wertloses verausgabt habe.)
    Ich hab dir gesagt, es wird zu schwer. Die Lauferei, die Schlepperei.
    (Ich habe die Übersetzung abgesagt. Und warum? Warum in Wahrheit? Weil ich es mir nicht mehr zutraue … Irgendwo
unterwegs sind meine Talente verloren gegangen. Ich schäme mich …)
    Du solltest dich mehr schonen.
    (Jetzt bin ich also doch schuld? Überall auf der Welt werden Kellnerinnen schwanger! Jeden Tag!)
    Nicht nur sie kennt seine Gedanken, auch er kennt ihre, er beeilt sich:
    Weißt du was? Lass uns in Urlaub fahren! Die ganze Welt hatte den ganzen Sommer über Urlaub, nur du nicht. Ich bekomme bald meinen Führerschein zurück, eigentlich Ende dieser Woche, aber spätestens Anfang der nächsten. Wollen wir, was wir einmal so gerne gemacht haben, den ganzen Kontinent mit dem Auto abfahren? Wollen wir den Bogen nach Osten beginnen, dann in den Süden, den Westen und schließlich in den Norden fahren, bevor wir wieder nach Hause zurückkehren? Oder wollen wir es, angesichts der Tatsache, dass es jetzt wohl doch allmählich kühler wird, in der umgekehrten Reihenfolge machen? Wollen wir an Orte, an denen wir schon mal waren, oder an Orte, an denen wir noch nie waren? Der Gedanke an die Fahrt (dass ich den Führerschein bald zurückbekomme) elektrisiert mich. Alles wird gut. Ich fühle mich mindestens 3 Monate jünger. Als würde der Sommer gerade anfangen.
    Sie, mit Stentorstimme: Wovon redest du? Wir können uns überhaupt keinen Urlaub leisten.
    Er, glockenhell: Wovon redest du? Natürlich können wir uns einen Urlaub leisten!
    (Warum, um Gottes willen, strahlst du so? Du hast es doch schon längst - nicht längst , sondern gerade jetzt - bereut, dass du damit hervorgekommen bist. Urlaub. Das ist genau das Gegenteil davon, was du willst. Was du dir erlauben kannst. - Aber für dich, Flora, wäre ich bereit …)

    Du treibst mich zur Verzweiflung. Wirklich!
    (Lass mich das jetzt nicht wieder vorrechnen. Wie vor längerer Zeit eines Abends geduldig und sanft, als würde sie ihm bei den Hausaufgaben helfen. Schau mal: das sind unsere Kosten für den Kredit, das Wohnen, das Auto, Krankheit, Hausrat, Haftpflicht, Berufsunfähigkeit, Tod, Kommunikation, Essen, Trinken, Hygiene, Kleidung, Bildung, Transport, Sonstiges, und schau, das sind unsere Einnahmen: deine Einnahmen und meine Einnahmen, Zwischensumme, Endsumme, schau, da ist jeden Monat eine Lücke von 1500, die für die Firma ausgelegten unbekannten Reisespesen nicht mitgerechnet. Das Problem ist nicht, was wir einnehmen, sondern, dass du dich so verhältst, als wäre es das Doppelte. Verstehst du? Nicht die absoluten Zahlen, sondern das Festhalten an einer Lebensweise, die … Braucht man wirklich von allem nur das Teuerste? - 5000 EUR ist beileibe nicht das meiste, was man für einen Flachbildfernseher ausgeben kann, meine Liebe … - Du willst es einfach nicht verstehen, oder? Was ist das überhaupt für ein Saftladen, der es 2 Jahre lang nicht schafft, offiziell zu werden? Und du verteidigst sie auch noch, redest irgendwas von internationaler Realität . Wirklich. Solche Worte gebrauchst du. Das erste Mal ist das rührend, später ist das nicht mehr als dämlich. - So sagte sie das natürlich nie. Sie schont mich. Das ist lieb von ihr. - Nein, es ist ebenso dämlich. Nur fehlt mir für alles andere die Kraft. Wie soll ich mich da nicht schämen?)
    Liebste! Kopp strahlte noch ein wenig mehr und fasste nach ihrer Hand. Liebste! Aber grad das wollte ich dir doch erzählen! Es ist alles in Ordnung gekommen! Ich habe Bill erreicht. Eine ganze Weile, stunden-, ja, tagelang habe ich keinen erreicht, ich dachte schon, sie wären ausgewandert, mit der Kaffeekasse getürmt, mit einem Privatflugzeug im Canyon abgestürzt, ich hab auch so blöd geträumt, das habe ich auch noch nicht erzählt,
egal jetzt, ich habe ihn erreicht, ich habe noch mal erklärt, und sie … etc. Er erzählte, wie es war.
    Nickte sie oder nicht einmal das? Es ging in