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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Körper, denn er hatte nicht einmal ein Bier getrunken, hält seinen Lastwagen an. Parkt sorgfältig auf einem Parkplatz. Anschließend stirbt er an plötzlichem Kindstod, und es gibt keinen Grund, ein Verbrechen zu vermuten.
    Das war die wissenschaftliche Wahrheit, und wie wahr sie auch sein mochte, so war sie unsinnig.
    Eino Niemi starrte sein stummes Telefon mißbilligend an. Erstens war es kein Tag für Telefongespräche. Zweitens ging es darum, irgendeinen Professor anzurufen und ihm Fragen zu stellen, die sich mal klug, mal kindisch und dumm anhören würden, und dennoch würden die dummen und vielleicht weniger dummen Fragen in Wahrheit nur andeuten, daß der Professor sich irgendwo geirrt haben mußte.
    Wenn der Professor erst einmal richtig wütend wurde, würde er den Polizeidirektor anrufen, einen Mann aus Östergötland, und dieser würde einen gewissen Kriminalinspektor Niemi zu sich zitieren und ihn fragen, was zum Teufel es damit auf sich habe, den Professor an einem Feiertag wegen etwas zu stören, was nichts mit jenem Multbeerendiebstahl zu tun haben könne, und weshalb ein solcher Diebstahl ausgerechnet über Weihnachten mit solcher Eile untersucht werden müsse. Vielleicht würde der Polizeidirektor noch einiges anderes fragen.
    Eino Niemi wollte nicht anrufen. Er stand auf, machte die Schreibtischlampe aus und ging zum Parkplatz hinunter. Er hatte seinen Notizblock und den Kugelschreiber mitgenommen, warf sie neben sich auf den Beifahrersitz und fuhr dann das kurze Stück am Fluß entlang zum Zoll.
    Hier war Lasse Holma mit seinem Fernlaster der Firma NORRFRYS vorbeigekommen. Sogar die exakte Uhrzeit war bekannt. Vom Zollgebäude aus waren es nur wenige hundert Meter bis zum Kreisverkehr an der E 4, und bis dort konnte man nirgends abbiegen, wenn man zu NORRFRYS unten an der Bahnstation am Südende der Stadt wollte.
    Lasse Holma hatte jedoch nicht den selbstverständlichen Weg gewählt. Er war nicht vom Kreisverkehr aus nach Süden durch die Stadt und an der Västra Esplanaden zur Järnvägsgatan und dann nach rechts gefahren. Er war auf der E 4 in Richtung Luleå weitergefahren.
    Daran war eigentlich nichts merkwürdig. Besonders, wenn man im Winter und bei Schneeverwehungen einen großen schweren Fernlaster mit Anhänger fuhr, den man in der Stadt nur schwer bewegen konnte, konnte man ebensogut eine Runde über die E 4 drehen und über das südliche Gewerbegebiet fahren. Dieser Tatsache war vielleicht noch niemand auf den Grund gegangen, aber Eino Niemi kam es plausibel vor, daß dies im Winter die häufigste Route der Fahrer war.
    Am Kreisverkehr schaltete er seinen Tageskilometerzähler ein und fuhr auf der Straße weiter, auf der auch der Laster gefahren sein mußte. Schon nach einigen hundert Metern war er unschlüssig, was er überhaupt untersuchen sollte.
    Sagen wir, du bist von Murmansk bis hierher gefahren, achthundertzwanzig Kilometer, sagte er zu sich selbst. Du hast achthundertzwanzig Kilometer hinter dir und fühlst dich ganz mies oder entdeckst gerade, daß dir schlecht wird.
    Du sollst nämlich schon bald eines plötzlichen Kindstodes sterben, knurrte er zwischen zusammengebissenen Zähnen.
    Nun, hier kommst du. Jetzt wollen wir mal sehen, wie lange du noch fahren mußt.
    Er fuhr an dem Parkplatz vorbei, auf dem der Fernlaster gestanden hatte, und fuhr dann langsam weiter, während er sich die einzig denkbare Fahrtroute zu den Büros und Lagergebäuden von NORRFRYS unten am Bahnhof notierte. Er fuhr langsam, als säße er am Steuer eines Fernlasters im Schneematsch, falls das irgendeine Bedeutung hatte, und notierte zunächst vierhundert Meter vom Tatort zur Eisenbahnbrücke, dann wieder ein paar hundert Meter, bis links in Richtung Süden eine Kurve kam, um dann wieder in Richtung Stadt zu fahren. Die Hinweisschilder wiesen auf das Freizeitgelände Grankullen und das südliche Gewerbegebiet hin.
    Als er erneut links abbiegen mußte, um zum Gewerbegebiet und wieder in die Stadtmitte zu kommen, notierte er eine Entfernung von 1,5 Kilometern vom Tatort; er entschloß sich, den Schauplatz des Mordes vorläufig als Tatort zu bezeichnen. Falls es ein Mord war, wußte er nicht, wo er begangen worden war. Dagegen stand fest, wo die Multbeeren gestohlen worden waren.
    Als er auf der Köpmangatan so weit gefahren war, daß er unweigerlich nach rechts um die moderne, eigenartige Holzkirche herumfahren mußte, um auf die Östra Kyrkogatan zu kommen, befand er sich 2,3 Kilometer vom Tatort

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