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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Mouna sei Oberstleutnant und müsse in jeder Hinsicht als Vorgesetzte betrachtet werden. Carl hatte ihm auch versichert, daß sie, besonders in der Situation, in der sie sich jetzt befänden, als Chefin bedeutend kompetenter sei als die meisten Oberstleutnants, die Göran Karlsson in seinem Leben kennengelernt habe. Carl hatte ihn kurz angeblafft, als er über eine Frau als Vorgesetzte gewitzelt hatte.
    »Es ist so, als würdest du dich jetzt im Dschungel Vietnams befinden und Oberstleutnant Skip Harrier zum Vorgesetzten haben. Was du auch tust, unterschätze sie nicht«, hatte Carl gesagt.
    Der Paßgang des Tieres erzeugte eine einschläfernde, rhythmisch schwankende Bewegung, die ihm das Gefühl gab zu schlafen, das Gefühl, als träumte er seine Schmerzen, obwohl er natürlich immer noch intensiv davon erfüllt war, daß die Operation endlich in Gang kam.
    Während der Wochen oben in Tunis war ihm alles unmöglich erschienen. Sie saßen in verschiedenen konspirativen Wohnungen der Stadt, aßen und tranken und redeten bis tief in die Nacht über Politik. Es waren Gespräche, in die Göran Karlsson sich kaum eingemischt hatte und denen er gelegentlich nicht einmal folgen konnte.
    Verräucherte Zimmer, große Schüsseln mit gegrillten Hähnchen und Lammfleisch, safranfarbener Reis mit Rosinen und Joghurt und, was ihn am meisten überraschte, hauptsächlich schottischer Whisky als Getränk zu den Mahlzeiten sowie unzählige Zigaretten als Nachtisch oder Zwischengericht oder manchmal sogar während des Essens.
    Es war ihm schwergefallen, das alles ernst zu nehmen. Die ganze Welt, die UNO in New York und das Weiße Haus in Washington, alle würden angesichts einer Operation den Atem anhalten, über die ein Haufen wild streitender und diskutierender Terroristen in Tunis zu beschließen hatte; er hatte sehr wohl verstanden, daß er in Gegenwart Carls dieses Wort nicht gebrauchen durfte.
    Am letzten Abend waren sie bei einem der engsten Mitarbeiter Arafats gewesen, Bassam Abu Sharif. Dessen Gesicht war schwer entstellt, doch Göran Karlsson konnte zunächst nicht ausmachen, was die Verletzungen verursacht hatte. Dem Mann fehlte ein Auge, das Gesicht war von Pulverresten perforiert, und mehrere Finger waren weggesprengt; Göran Karlsson hatte zunächst vermutet, daß Bassam Abu Sharif als Kind eine kleine Drachenmine der Art aufgehoben hatte, die in Vietnam eingesetzt worden war, um an die Kinder heranzukommen. Vermutlich hatten die Israelis sie übernommen, als die Amerikaner sie nicht mehr brauchten.
    Es sei eine Briefbombe gewesen, erklärte Carl gleichsam nebenbei, als Göran Karlsson sich endlich ein Herz gefaßt und gefragt hatte. Gerade über diese Briefbombe sei in der israelischen Presse ausgiebig gewitzelt worden: »Jetzt probiert mal selber eure Medizin.«
    Göran Karlsson hatte es zunächst irgendwie abstoßend gefunden, als der entstellte Mann Carl mit offenen Armen begrüßte, ihn einen lieben alten Freund nannte, ihn umarmte und küßte.
    Karlsson war kein Araberfreund. Er hatte in seinem bisherigen Leben zwar kaum Grund gehabt, sich nach seiner Einstellung zu Arabern zu fragen, entdeckte hier jedoch schnell, auf wie unangenehme Weise er bei allen Gesprächen und der in seinen Augen übertriebenen Freundschaft ein Außenseiter war. Er verstand Carl nicht, der bei diesen rauchenden, Whisky trinkenden und ständig redenden Figuren vollständig entspannt war und sich unter ihnen bewegte, als wäre er hier zu Hause. Göran Karlsson hatte sich mehr als nur einmal bei der Frage ertappt, weshalb Carl, der nur einen schwedischen Mitarbeiter hatte auswählen sollen, ausgerechnet ihn genommen hatte.
    In ihm hatte sich alles gedreht, als am letzten Abend Leute kamen und gingen, während überall Karten und Skizzen inmitten großer Schüsseln mit halb aufgegessenen Speisen lagen und rauchende, lachende Personen in grünen Uniformen gestikulierten, stritten und diskutierten.
    Sie hatten eine lange Reihe unmöglicher Bedingungen gestellt, die ebenso urplötzlich auftauchten wie neue Speisen. Von Zeit zu Zeit kamen junge Mädchen mit neuen Schüsseln herein, während die Männer unbeschwert und aufgeräumt Dinge diskutierten, die das Pentagon im Augenblick zu den wichtigsten Geheimnissen der Welt zählte.
    Erstens sollte die ganze Expedition unter palästinensischem Oberbefehl stehen. »Oberstleutnant« Mouna sollte also nicht nur Chefin ihrer Palästinenser sein, sondern auch von Carl und Göran Karlsson; Carl hatte das

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