Der einzige Sieg
konnte auch nichts Gefährliches herausgetragen werden.
Obwohl es schon dunkel geworden war, setzte er sich die Sonnenbrille auf, als er in die Stadt ging. Er stellte sich vor, daß der Provinzler Mr. Hamlon so aussehen müßte. Er grübelte mit leichter Ironie darüber nach, wie Mike Hawkins es geschafft hatte, seine Pistole und den Gegenwert von hundert Millionen Dollar ins Hotel zu bekommen, was die leichte Aktentasche angeblich wert war. Vielleicht mußte man dem unter starkem Streß stehenden Mann eine Neigung zu Übertreibungen zugute halten.
Carl wußte nicht viel über Tritium. Er ging davon aus, daß keine Strahlungsgefahr bestand, wenn er diesen Stoff in einer Aktentasche spazierentrug. Ihn schauderte jedoch leicht bei dem Gedanken, wie Mr. Hamlon wohl erklären wollte, was er in der Aktentasche trug, wenn man ihn auf dem Frankfurter Flughafen damit erwischte.
Das Rohr war natürlich Hochtechnologie und mit Sicherheit luftdicht. Tritium ist nämlich Frischware, die sich selbst zerstört, wenn sie mit Luft in Berührung kommt. Dann ist es kein Tritium mehr.
Carl konnte jedoch niemanden anrufen und um Rat fragen. Er mußte es auf gut Glück versuchen.
Es war noch früh am Abend, und obwohl er in der Hand eine Aktentasche trug, die kaum zu seiner sonstigen Erscheinung paßte, schätzte er die Gefahr eines Überfalls als minimal ein. So ging er zu Fuß, bis er die Rambla fand, ging an seinem Hotel vorbei bis zu der großen Säule mit einem Denkmal, das vermutlich Columbus darstellte. Dann setzte er seinen Weg zum Hafen fort.
Er ging eine Zeitlang am Quai entlang, bis er einige junge Leute sah, die dort saßen und die Beine baumeln ließen. Sie tranken Wein, unterhielten sich und lachten.
Er setzte sich in sicherem Abstand hin und betrachtete eine Zeitlang das Wasser. Dann öffnete er vorsichtig die Aktentasche und ließ die mit Tritium gefüllte Röhre mit einem dumpfen Laut ins Wasser gleiten. Es gab beim Aufprall keinen Klatscher.
Carl schloß die Aktentasche, legte sie hinter sich und betrachtete eine Zeitlang den klaren Sternenhimmel. Er fand den Großen Wagen, folgte ihm mit dem Blick der bekannten Linie bis zum Polarstern und hatte so die Richtung nach Norden und nach Hause.
Endlich ein Sieg, dachte er.
Epilog
Am 31. März 1992 nahm der Sicherheitsrat der UNO die Resolution Nummer 748 an, mit der erklärt wurde, daß Libyen nicht mehr die Erlaubnis der Weltgemeinschaft habe, Flugverkehr zu betreiben. Überdies wurde aller Waffenexport nach Libyen verboten. Anschließend kam es zu einer kurzen, aber intensiven westlichen Pressekampagne gegen das Land. Offizieller Grund für die neue Weltordnung, diese außergewöhnlichen und früher unbekannten Sanktionsformen einzuführen, war die Weigerung Libyens, zwei Personen auszuliefern, von denen niemand im Ernst annahm, sie hätten einen Terroranschlag begangen, den westliche Nachrichtendienstkreise meist der von Syrien unterstützten Organisation PFLP-General Command zuschrieben.
Die von Präsident George Bush geführte amerikanische Administration hätte jedoch bedeutende Schwierigkeiten gehabt, Syrien zu einem Terroristenstaat zu erklären. Noch schwieriger wäre es gewesen, Syrien irgendeiner Form von Blockade zu unterwerfen.
Syrien war nämlich zu einem Verbündeten geworden, nachdem das Land sich im Kampf gegen seinen Erzfeind Irak auf die Seite des Westens geschlagen hatte.
Man behauptete nämlich sowohl in Damaskus als auch in Bagdad, die einzig wahre und wirklich orthodoxe Baath-Partei zu führen, nämlich die Partei der Wiedergeburt des sozialistischen arabischen Nationalismus.
Offenbar hatte man in Washington gehofft, mit den in der UNO durchgedrückten Sanktionen Libyens Herrscher Moammar Ghaddafi in die Knie zu zwingen. Man hatte ja unter anderem gerade deswegen die spezialausgebildeten gedungenen Freiheitskämpfer in den Tschad eingeflogen, und zwar gleich nach Beginn der Sanktionen. Die Amerikaner hofften, daß in Libyen eine neue Ordnung unmittelbar bevorstand.
Als sich jedoch das Ganze immer mehr hinzog und die Operation Dragon Hammer sich als völlig wirkungslos erwies, prüften amerikanische Diplomaten die Möglichkeit, die Sanktionen gegen Libyen zu verschärfen, um so ein wirtschaftliches und politisches Chaos im Land auszulösen. Dabei ging es in erster Linie natürlich darum, Libyens Erdölexporte zu verbieten, und zwar mit dem Hinweis darauf, daß Libyen sich nicht an den UNO-Beschluß halte, die beiden angeblichen
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