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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Terroristen auszuliefern, deren Namen sogar CNN bald vergessen hatte.
    Der Initiative blieb der Erfolg versagt. Mehrere europäische Länder, darunter Italien, würden sich schwer zu meisternden Problemen gegenübersehen, wenn sie ihrem Hauptlieferanten Libyen kein Öl mehr abnehmen durften. Auf dem europäischen Markt war das Problem besonders schwerwiegend, da man dort im Interesse der neuen Weltordnung schon auf Erdöl aus dem Irak hatte verzichten müssen.
    Die Kampagne gegen Libyen verebbte. Die Presse verstummte allmählich. Zugleich war es jedoch unmöglich, die Sanktionen »aufzuheben«. Sie blieben selbst dann noch in Kraft, als die Welt die Sanktionen und die Gründe dafür längst vergessen hatte. Die realpolitische Wahrheit, das zeigte sich schon bald, war diese: Die Sanktionen würden in Kraft bleiben, solange Moammar Ghaddafi in Libyen an der Macht blieb.
    Damit blieb noch die Frage von Kriegen. Die Bush-Administration konnte angesichts des kommenden Präsidentschaftswahlkampfs unter drei Kriegen wählen: zum zweiten Mal gegen Saddam Hussein, gegen Jugoslawien oder gegen Libyen. Ein Krieg gegen Libyen mit dem Hinweis darauf, daß das Land dabei sei, sich auf illegalem Weg Kernwaffen aus der ehemaligen Sowjetunion zu verschaffen.
    Jugoslawien war undenkbar, da die Generäle im Pentagon dann sofort auskeilen würden. Welches der Völker Jugoslawiens man auch angreifen würde, vermutlich die Serben, so waren sie alle auf besonders riskante Weise fähig, sich zu verteidigen.
    Saddam Hussein würde sich in einem zweiten Krieg natürlich noch weniger verteidigen können als in dem ersten. Hier lag das Problem darin, daß ein solcher Waffengang nicht sonderlich spannend zu werden versprach. Es war wenig wahrscheinlich, daß CNN noch einmal den gleichen nationalen Einsatz leisten würde, und überdies stand zu erwarten, daß ein großer Teil der europäischen Presse einen solchen Krieg mit Mißfallenskundgebungen begleiten würde. Dabei bestand die Gefahr, daß das Mißvergnügen auf amerikanische Medien überschwappte.
    Libyen war eine frische und unverbrauchte Alternative. Allerdings mußte ein annehmbarer Kriegsgrund gefunden werden, nicht nur für den Kongreß, den Senat und noch mehr für die Presse, sondern auch für widerspenstige Generäle, die bohrende Fragen stellen würden.
    Die Generäle wußten nämlich genau, wie es um libysche Kernwaffenproduktion stand. Sie war vollkommen vernichtet worden.
    Es würde nicht ganz leicht sein, Moammar Ghaddafis allgemeine Gefährlichkeit für die freie Welt und die neue Weltordnung aufzubauen, wenn man nicht von Kernwaffen sprechen durfte, die es gar nicht mehr gab.
    So verlief der Krieg gegen Libyen bis auf weiteres buchstäblich im Sand.
    Carl hatte sich eine Woche lang ausschließlich mit EDV- Analysen beschäftigt und fühlte sich müde und ausgelaugt. Tessie wollte ihr Kind in Schweden zur Welt bringen, und der Sommer hatte inzwischen begonnen. Carl würde schon bald für recht lange Zeit Urlaub bekommen.
    Sein Telefon läutete nur selten. Die Sekretärinnen in Rosenbad hielten alles von ihm fern, was aus der Öffentlichkeit oder der Presse kam. Wenn also ein paarmal am Tag von draußen angerufen wurde, war es meist jemand, der Carl sehr nahe stand.
    »Hallo, Tessie«, sagte er sofort fröhlich auf Englisch, »wie geht es dem Baby im Bauch?«
    Das Schweigen am anderen Ende verriet unerbittlich, daß er danebengetippt hatte.
    »Hallo, Carl, tut mir leid, dich zu enttäuschen, aber hier ist nicht Tessie, sondern Colin«, meldete sich ein gedämpfter Bariton.
    »Welcher Colin?« fragte Carl peinlich berührt und hätte sich im selben Augenblick am liebsten die Zunge abgebissen.
    »Colin L. Powell, Oberbefehlshaber der Streitkräfte der Vereinigten Staaten, wenn wir förmlich sein wollen. Aber dazu gibt es doch gar keinen Grund, Carl, oder?« lachte Colin Powell auffallend herzlich. »Wer zum Teufel ist eigentlich Tessie? Deine Frau, hoffe ich.«
    »Ja, Sir«, erwiderte Carl und preßte beide Augen fest zu.
    »Was soll eigentlich dieses Sir, Carl? Darf ich damit anfangen, dir und deiner Frau viel Glück zu wünschen?«
    »Danke… Colin«, erwiderte Carl. Ihm war etwas unwohl, weil er sich erstens blamiert und zweitens den Oberbefehlshaber der USA geduzt hatte, einen Fünf-Sterne-General.
    »Nun«, fuhr Colin Powell etwas geschäftsmäßiger fort, »ich habe inzwischen die ganze Akte über Green Dragon gelesen. Ich habe eine teuflisch genaue Untersuchung

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