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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Sicherheitspolitik ging. Diese Dinge, so ließ er durchblicken, verstehe er selbst am besten. Seinem Mienenspiel war jedenfalls nichts anderes zu entnehmen.
    Wie dem auch sein mochte, der nachrichtendienstliche Aspekt war nicht gerade unwichtig. Wenn Carls Gespräche ergäben, daß die russische Regierung die frühere Sowjetarmee nicht mehr unter Kontrolle hatte, sei das eine wichtige Erkenntnis. Und umgekehrt. Außerdem war dies eine goldene Gelegenheit, gerade Carl hinüberzuschicken, den der russische Präsident offenbar dekorieren wollte.
    Carl blieb nichts anderes übrig, als zuzustimmen. Die Argumentation war im Grunde unantastbar logisch, und als reiner Spionageauftrag war die Reise keineswegs unwesentlich. Als der Ministerpräsident sah, daß es in Carl arbeitete, und in seinem Gesicht ein Zögern bemerkte und offen fragte, erwiderte Carl, es sei vermutlich nicht von Bedeutung, aber es sei nun mal so, daß man nicht vermeiden könne, von weniger wichtigen Dingen beeinflußt zu werden. So empfinde er ein gewisses Unbehagen bei dem Gedanken an Ordensverleihungen, überdies in einem Zusammenhang, in dem er Gefahr laufe, von Boris Jelzin geküßt zu werden.
    Er hatte mit der letzten Bemerkung keineswegs die Absicht verfolgt, komisch zu sein. Er empfand tatsächlich starkes Unbehagen bei der Vorstellung, der nach Schnaps stinkende russische Bär könne sich vorbeugen und ihn dreimal küssen, zunächst auf die eine Wange, dann auf die andere und schlimmstenfalls noch auf den Mund.
    Die beiden anderen fanden seinen geknurrten Einwand jedoch unwiderstehlich komisch und lachten laut los.
    »Apropos diese Sache mit Orden«, begann der Ministerpräsident, als er sich von seiner Heiterkeit erholt hatte. »Da hat sich der finnische Präsident gestern mit einer Anfrage an Anders Lönnh gewandt… warte!«
    Er hielt kurz inne, um seine Brille zurechtzurücken, bevor er fortfuhr. Seine Brille ist vielleicht nicht gewohnt, daß er lacht, dachte Carl aggressiv.
    »Ja, also«, fuhr der Ministerpräsident fort, als die Brille wieder richtig saß, »Koivisto wollte wissen, welcher der Schweden ein Riese ist und finnisch spricht. Wir haben ihm geantwortet, Major Åke Stålhandske. Das stimmt doch?«
    »Aber ja«, erwiderte Carl schnell, jedoch mit deutlich fragender Miene. »Die Identität Major Stålhandskes ist bisher nie bekanntgemacht worden, und ich frage mich, ob es sehr klug gewesen ist…«
    »Aber, aber!« unterbrach ihn der Ministerpräsident. »Es geht immerhin um den Präsidenten unseres Nachbarlandes. Unter Nachbarn muß unsere Diskretion doch wohl Grenzen haben. Außerdem hatte Koivisto einen interessanten Grund. Er wollte nämlich wissen, wem er den Kommandeursgrad von Finnlands Weißer Rose überreichen kann.«
    Carl machte den Eindruck, als verstünde er überhaupt nichts mehr, und die beiden anderen schienen seine Verwirrung mißzuverstehen.
    »Wegen dieser Kleinigkeit wollen wir doch nicht eifersüchtig werden«, bemerkte der Ministerpräsident ironisch.
    »Natürlich nicht, nein, selbstverständlich nicht. Major Stålhandske ist mein engster persönlicher Freund, aber es kommt mir seltsam vor. Liegt es daran, daß er der einzige von uns mit finnischer Herkunft ist? Aber woher haben die finnischen Behörden das dann erfahren? Finnische Behörden haben doch nicht Bescheid gewußt oder hätten nicht wissen dürfen, wer wir waren, mit Ausnahme meiner Person.«
    »Nein«, sagte der Ministerpräsident ruhig, als ginge es um eine Kleinigkeit. »Aber jetzt scheint es so zu sein, daß Major Stålhandske einem finnischen Staatsbürger das Leben gerettet hat, und das dürfte wohl der Grund für die Auszeichnung sein.«
    »Wann denn?« fragte Carl mit plötzlicher Nervosität. Er begriff nichts.
    »Während der… nun ja, der Operation.«
    »Oben auf der Nordkalotte?«
    »Ja, wo denn sonst?«
    Carl verkniff sich seine Antwort. Er hätte um ein Haar gesagt, daß kein einziger Mensch die »Operation« überlebt habe. Es wäre jedoch vielleicht irgendwie unpassend gewesen, es dem Ministerpräsidenten zu sagen, falls diesem irgendwann mal die Frage gestellt werden würde, was er wisse und was er nicht wisse. Außerdem war er selbst unsicher geworden.
    Es gab nur eine theoretische Möglichkeit. Doch die war andererseits entsetzlich. Er beschloß, das Thema nicht mehr zu berühren.
    »Ich bin überzeugt, daß der finnische Präsident einen wohlbegründeten Entschluß getroffen hat«, sagte er leise.
    »Ja. Und da wir ohnehin

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