Der einzige Sieg
Weile in den Zeitungsstapeln. In einem Stapel entdeckte Carl Fotokopien von Ausschnitten aus verschiedenen Wirtschaftsblättern, die jetzt im ganzen Haus herumzuliegen schienen.
Sie wetteiferten in ihren Bemühungen, dem neuen Kabinett Lob zu spenden, und sagten voraus, es seien große Zinssenkungen zu erwarten, äußerten die Meinung, »das Gerede von einer Krise der Industrie ist vielleicht übertrieben«, und andere optimistische Prognosen.
Carl dachte kurz über seine finanziellen Verhältnisse nach, zum ersten Mal seit langer Zeit. Er selbst hatte unter genau entgegengesetzten Erwartungen seine Dispositionen getroffen, denn er glaubte, daß die Zinsen im kommenden Jahr in die Höhe schießen und die Aktienkurse fallen würden. Falls er sich irrte, würde es ihn teuer zu stehen kommen. Er beschloß, seinen Kurs nicht zu ändern, nur weil ein paar Journalisten jubelten. Diesen Leuten fiel es leicht, an einem Tag zu jubeln und am nächsten Tag entrüstet zu weinen. Dennoch war alles am nächsten Tag vergessen.
Ein paar junge Leute, die sich unterhielten, verließen gerade das Zimmer des Ministerpräsidenten. Sie hatten gestreifte Hemden an und sahen aus wie kleine Börsenmakler. Als sie Carl entdeckten, zeigte einer von ihnen mit dem Daumen über die Schulter und erklärte, Kalle warte, er brauche nur hineinzuspazieren. Carl erhob sich und ging zögernd auf die große Doppeltür zu. Er klopfte an, bevor er eintrat.
Der Ministerpräsident stand in Hemdsärmeln da, war auffallend guter Laune und gerade dabei, seinem Pressesekretär heftig gestikulierend etwas zu erzählen. Er hielt fast verlegen inne und murmelte etwas davon, den Rest bei anderer Gelegenheit zu besprechen, bevor er Carl begrüßte und auf einen Stuhl zeigte.
»Hamilton, ausgezeichnet! Setz dich. Wir haben einiges zu besprechen, was nicht so heiter ist.«
»Nicht so heiter wie was?« fragte Carl erstaunt. Es gefiel ihm nicht, beim Nachnamen genannt zu werden. Das hörte sich an wie eine Anrede in einem Internat, was im Grunde sehr gut zum Stil des Ministerpräsidenten paßte.
»So… ja, wir haben kurz besprochen, wie der Haushalt aufgenommen wurde, und es sieht ja wirklich sehr gut aus. Eine der großen oder schweren Stunden des politischen Lebens, je nachdem, wie es geht. Und jetzt ist es eben gut gegangen.«
»Gratuliere.«
»Na na, wir wollen uns doch nichts vormachen. Du glaubst natürlich nicht an die bevorstehenden guten Zeiten?«
»Nein, wie ich gestehen muß. In meinem Beruf ist es aber besser, zu pessimistisch als zu optimistisch zu sein. Ich nehme an, daß es bei Politikern genau umgekehrt ist.«
Carl hatte kurz geantwortet, nicht im mindesten unverschämt, aber kurz und ohne mit einer Miene zu verraten, welche Gefühle hinter den Worten steckten. Der Ministerpräsident zog es vor, das Ganze als Scherz anzusehen, und lachte auf, während er auf seinen großen Bürostuhl sank, die Hände im Nacken faltete und den Versuch machte, Carls Blick einzufangen. Dieser ließ sich einfangen.
»Nun«, begann der Ministerpräsident, »wir haben hier eine kurze kleine Notiz, die du vielleicht vortragen könntest, Lars?« Der Pressesekretär, der seinem Chef als Typ sehr ähnlich schien oder es im Lauf der Arbeit geworden war, streckte die Hand nach einem DIN-A-4-Blatt aus und rückte seine Brille zurecht.
»Ja, es geht natürlich um diese Jelzin-Affäre«, begann er konzentriert.
»Jelzin-Affäre?« unterbrach Carl mit aufrichtigem Erstaunen. Ihm ging zu spät auf, daß dies ein ausgesuchter Euphemismus für die Massenmord-Affäre war , oder wie die Opposition den Fall bezeichnete.
»Nun ja, ich meine die Äußerungen Jelzins im Zusammenhang mit bestimmten Ereignissen oben im Norden Finnlands, die dir bekannt sein dürften…«
Carl antwortete nicht, sondern nickte nur leicht zum Zeichen, daß er verstanden und keine weiteren Absichten hatte, den Ministerpräsidenten zu unterbrechen.
Der Pressesekretär erklärte, der Ministerpräsident werde bald an die Öffentlichkeit gehen, um den Fall zu kommentieren. Dabei wolle er folgendes sagen:
»Erstens, daß Verteidigungsminister Anders Lönnh die unmittelbare Verantwortung für bestimmte Operationen schwedischer Militärs nördlich des Polarkreises auf russischem Territorium gehabt hat. Ferner werde ich aber erklären, daß ich die Entwicklung genau verfolgt habe und in jeder Hinsicht mit dem Verteidigungsminister einig gewesen bin.
Zweitens werde ich erklären, daß die Operationen auf
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