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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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verwirrt. Es fiel ihm schwer, auf der Stelle zu entscheiden, wie er mit dieser höchstoffiziellen Anfrage umgehen sollte. Tatsächlich hatte der alte sowjetische militärische Nachrichtendienst ihn soeben aufgefordert, mit ihm parallele Verhandlungen zu führen. Er wurde dadurch gerettet, daß der schwedische Botschafter, ein Mann, den Carl erst am Vormittag kennengelernt hatte, als er ihm die Hand gab, jetzt hinzutrat, um sich mit Carl zu unterhalten und um, was vielleicht wichtiger war, seine Neugier zu befriedigen.
    »Herr Botschafter«, sagte Carl und wechselte ins Englische, »darf ich Sie mit meinem alten Freund und Kollegen aus dem früheren sowjetischen Generalstab bekannt machen, Generalleutnant Jurij Tschiwartschew. Generalleutnant, der schwedische Botschafter!«
    Während der anschließenden Begrüßungszeremonie entschied Carl sich schnell und wandte sich dann erneut zu seinem Botschafter um.
    »Da der Abend schon recht fortgeschritten ist und ich bei den morgigen Verhandlungen auf dem Damm sein muß, halte ich es für das Beste, daß ich mich jetzt zurückziehe. Ich werde die Gelegenheit nutzen, den Generalleutnant nach Hause zu bringen.«
    Carl machte ein Gesicht, als wollte er so etwas wie ein ungeschriebenes militärisches Gesetz erfüllen, wer wen nach Hause fahren müsse, und der Botschafter bedankte sich für den Abend.
    Carl schleifte Jurij Tschiwartschew zur Frau des Botschafters mit, wo sich beide verneigten und bedankten und das Büffet mit einem Kompliment bedachten.
    »Hast du einen eigenen Wagen, oder können wir unseren nehmen?« fauchte Carl aus dem Mundwinkel, als sie sich die Mäntel anzogen.
    »Ich fahre lieber Volvo, es ist nämlich schon lange her. Ich werde meinem Fahrer Bescheid sagen, draußen zu warten. Du hast dir doch sicher das Metropol gedacht?«
    »Selbstredend«, erwiderte Carl mit einem Lächeln. »Ich fahre mit einem wie dir doch nicht in die Moskauer Nacht, um irgendwo herumzusitzen, wo man uns nicht kennt und wo wir nicht gesehen werden.«
    Sie lachten erneut und klopften einander wieder auf die Schultern, als sie sich leise plaudernd zu den Wagen begaben. Auf dem Weg zum Hotel sprachen sie nur von unschuldigen Dingen, da sie einen Russisch sprechenden schwedischen Chauffeur hatten. Carl erkundigte sich nach Jurij Tschiwartschews verspäteter Pensionierung und wollte wissen, ob es noch die Datscha in Sibirien gebe. Der Russe gratulierte Carl zu seiner Heirat und fragte, ob es Kinder geben werde, und Carl bestätigte ein wenig befangen, seine Frau sei im dritten, nein, bald im vierten Monat. Dann beklagte er sich über allzu viele Auslandsreisen im Dienst. Mit solchem Geplauder ging es weiter, bis sie in der Bar des Metropol endlich allein waren.
    Im Anschluß an die eigentliche Bar standen ein paar Tische in einem hohen und breiten Korridor. Sie wählten den hintersten Tisch, um garantiert ungestört zu sein; nur wenige Menschen würden auf die Idee kommen, sich einem Mann in russischer Generalsuniform aufzudrängen, der mit einem Militär aus dem Westen zusammensaß.
    Carl bestellte einen Jack Daniels und sah auf die Armbanduhr. Nein, er hatte nicht zuviel getrunken, und bis morgen hatte er noch reichlich Zeit. Jurij Tschiwartschew begnügte sich mit einer Flasche Mineralwasser, allerdings einem französischen.
    »Nun?« sagte Carl und breitete die Arme aus, als die Bestellung erledigt war und sie allein saßen. »Worum geht es?«
    »Alte Freundschaft«, erwiderte Jurij Tschiwartschew mit einem übertriebenen Lächeln.
    »Sei nicht albern, du alter Bär. Du willst etwas. Was?« sagte Carl mit etwa dem gleichen theatralischen Mienenspiel.
    »Welche Befugnisse hast du jetzt, Carl?« fragte Jurij Tschiwartschew und wechselte den Gesichtsausdruck. Er wirkte jetzt etwas ernster.
    »Als Russe, der du bist, meinst du also, wem ich Bericht erstatte, wen ich konsultieren muß, und welches Recht ich auf eigene Initiativen habe«, bemerkte Carl. Er runzelte die Stirn. Er witterte Unrat.
    »Korrekt. Ungefähr so.«
    »Ich bin Berater des schwedischen Ministerpräsidenten in bestimmten militärischen und nachrichtendienstlichen Fragen. Ich handle also direkt nach seinen Anweisungen.«
    »Ja, aber deine Stellung in der militärischen Hierarchie?«
    »Strenggenommen stellst du mir Fragen, die du gar nicht stellen darfst.«
    »Ich weiß. Nun?«
    »Offiziell bin ich stellvertretender Chef des militärischen Nachrichtendienstes.«
    »Gibt es noch mehr stellvertretende Chefs?«
    »Nein,

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