Der einzige Sieg
irgendwelchen russischen U-Booten in schwedischen Gewässern. Weil die Männer, die die Flotte befehligten, ganz einfach der Meinung waren, russische Politiker hätten nichts mit ihrem Job zu tun. Sie überwinterten, hielten ihr Gerät, so gut es ging, in einem einsatzfähigen Zustand, und warteten auf das nächste Regime, das vielleicht wie gewöhnlich ihre Dienste in Anspruch nehmen würde. Folglich betrieb das Militär in Rußland Business as usual , unterstand dabei aber weniger als je zuvor einer politischen Kontrolle.
Es war eher diese Theorie sowie deren Prüfung, was Carl als Hauptsache seines Auftrags seitens der schwedischen Regierung betrachtete. Schon am nächsten Morgen würde er ein erstes Treffen oben beim UVS haben, der Leitung für auswärtige Angelegenheiten bei den Streitkräften, wo er einmal als Marineattaché in Moskau akkreditiert worden war, und zwar als Diplomat, obwohl er sich eigentlich als Mörder in der Stadt aufgehalten hatte.
Die schwedische Regierung hegte jetzt also die Hoffnung, daß die Russen nun, wo sie liebenswürdig geworden waren und neoliberale schwedische Professoren der Nationalökonomie um ihre Dienste baten, um ihnen den sofortigen Kapitalismus zu bringen, sich ebenso verbindlich zeigen würden, wenn es darum ging, über die Verletzung schwedischer Territorialgewässer durch U-Boote zu diskutieren. Diese Hypothese setzte natürlich voraus, daß die Männer, denen Carl am nächsten Tag begegnen sollte, Boris Jelzin tatsächlich als ihren höchsten verfassungsmäßigen Chef ansahen. Es würde sehr interessant werden, doch Carl hatte seine Zweifel.
Doch jetzt stand zunächst eine Veranstaltung im nächsten Spielhäuschen bevor, der Empfang in der schwedischen Botschaft. Carl sah auf die Uhr. Leider war es bald soweit. Er stand auf, hob sein Uniformjackett von dem Stummen Diener und entfernte vorsichtig den Roten Stern. Dieser Scherz hatte jetzt ausgedient. Er legte den Orden zusammen mit dem Sankt-Georgs-Kreuz in das große blaue Etui. Er mußte mit dem Ministerpräsidenten mal darüber sprechen. Es wäre vielleicht eine gute Idee, zu Hause auf Stenhamra ein Essen zu geben, bei dem der Ministerpräsident sozusagen Jelzin spielen durfte, wenngleich nüchterner. Überdies könnte es eine gute Idee sein, all die zu treffen, die an der Operation teilgenommen hatten, damit er sich vergewissern konnte, daß sie sowohl körperlich wie seelisch bei guter Gesundheit waren.
Er kleidete sich rasch an, ging zu dem wartenden Wagen hinunter und nannte im Scherz die Adresse auf russisch, Mosfilmowskaja 60, da er davon ausging, daß der junge schwedische Fahrer einer der Fähnriche der sogenannten Dolmetscherschule war.
Der Empfang in der Botschaft entsprach in allem seinen Erwartungen. Es kam ihm fast vor, als sei er geistig abwesend, als er herumging, Leute begrüßte, Hände schüttelte, Konversation machte, auf dumme Fragen antwortete und ganz allgemein höflich und nett war.
Das schwedische Fernsehen hatte einen Korrespondenten entsandt, der ihn bat, einige Fragen stellen zu dürfen. Carl erklärte sich ohne Murren bereit, denn er war in dem Glauben, ohnehin nur mit no comments antworten zu können, denn die Fragen, die von interessierten Journalisten gestellt wurden, waren meist so geartet, daß man sie am besten nicht beantwortete. Tatsächlich kamen einige solcher Fragen, und er entgegnete, er könne sie nicht kommentieren.
Doch dann wurde er auch gefragt, ob er vom Ministerpräsidenten Befehl erhalten habe, nach Moskau zu reisen, um den Sankt-Georgs-Orden entgegenzunehmen.
Das war entweder eine kindische oder eine sehr intelligente Frage. Er erwiderte vorsichtig, natürlich reise man in einer solchen Angelegenheit nicht nach Moskau, ohne seine Regierung konsultiert zu haben, aber Carl Bildt habe keine Einwände gehabt.
Die folgende Frage überzeugte Carl, daß der Journalist keinesfalls dumm war: »Glauben Sie, daß dieser Orden eine starke Trumpfkarte darstellt, wenn Sie mit den Russen über das Eindringen von U-Booten in schwedische Gewässer verhandeln sollen?«
Genau das war nämlich die Idee des Ministerpräsidenten gewesen.
Carl erwiderte vorsichtig, es könne keinesfalls nachteilig sein, mit jemandem zu sprechen, der soeben Anlaß gefunden habe, seiner Dankbarkeit Ausdruck zu geben.
Dann klopfte er dem Journalisten auf die Schulter und ging. Da die Party schon eine Weile in Gang war, meinte er, nun auch einen Teller nehmen zu können, und ging zu dem sehr
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