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Der einzige Sieg

Der einzige Sieg

Titel: Der einzige Sieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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schwedischen Büffet. Er nahm sich eine Portion gravad lax und wählte dann mißtrauisch unter den weißen Weinen, bis er einen annehmbaren Bordeaux fand. Da er im Stehen aß, ließen ihn die Leute eine Zeitlang in Ruhe, bis jemand ihm auf den Rücken schlug, so daß er Wein verschüttete. Außerdem nannte ihn der Betreffende »alter Knabe« oder so etwas. Auf Russisch. Als Carl sich umdrehte und entdeckte, wer der Übeltäter war, blieb er zunächst vollkommen stumm. Der Mann in russischer Generalsuniform lächelte, breitete mit einer vielsagenden Geste die Arme aus, worauf Carl schnell Teller und Glas abstellte, um sich an der Umarmung beteiligen zu können.
    »Jurij, mein alter Lieblingsfeind!« rief er fröhlich aus und klopfte höchstdemselben auf die Schulter. »Das ist wirklich lange her, oder war es vielleicht gerade gestern, in einer anderen Welt?«
    »Mein junger Admiral, ich freue mich wirklich, dich zu sehen«, sagte Jurij Tschiwartschew, packte Carl an den Oberarmen und schaukelte ihn hin und her.
    »Nicht Admiral, ich bin Flottillenadmiral«, erwiderte Carl verlegen, während er den Umstehenden Seitenblicke zuwarf, die, zumindest an diplomatischen Gepflogenheiten gemessen, indiskret große Augen machten: ein russischer General, der dem schwedischen Spion herzlich auf die Schultern klopfte, während sich beide auf Russisch unterhielten.
    »O nein«, entgegnete Jurij Tschiwartschew ungezwungen.
    »Unserem Protokoll zufolge wirst du als Admiral angeredet, da wir in unserem System keinen Flottillenadmiral haben. Wenn es dir ein politischer Trost ist, würdest du auch in den USA als Admiral angeredet werden.«
    »Du kennst dich im Protokoll vielleicht aus«, sagte Carl peinlich berührt, während er sich behutsam aus dem Griff seines Kollegen löste. »Aber du bist ja auch selbst befördert worden. Noch ein Stern. Gratuliere, Generalleutnant. Du bist also immer noch im Dienst?«
    »Korrekt, ich bin immer noch im Dienst. Sibirien und die Taiga-Antilopen werden noch ein paar Jahre warten müssen.«
    »Im Dienst in derselben… derselben Abteilung?«
    »Lieber Kollege, was für Indiskretionen!« lachte Jurij Tschiwartschew. »Ja, selbstverständlich. Aber ich arbeite jetzt in der Zentrale.«
    »Interessant«, murmelte Carl und streckte die Hand nachdenklich nach seinem Glas aus, während er feststellte, daß die Umgebung sich wieder ihrem Small talk zugewandt hatte.
    »Wer ist auf die brillante Idee gekommen, meinen alten Lieblingsfeind hierherzuschicken?«
    »Niemand, absolut niemand!« lachte der russische Spionagegeneral. »Ich habe mich einfach reingeschlichen. Wer sollte wohl eine Generalsuniform aufhalten, die außerdem den Vorzug hat, echt zu sein? Na ja, du weißt schon.«
    Carl starrte seinen russischen Freund und Feind verblüfft an.
    »Du bist wirklich ganz schön frech«, sagte er zurückhaltend.
    »In unserer Branche muß man schon ein bißchen frech sein, lieber Kollege«, fuhr Jurij Tschiwartschew kalt fort. »Hätten sie mir unten am Tor wegen meiner vergessenen Einladung Schwierigkeiten gemacht, hätte ich mich nur auf dich berufen, und du hättest mir bestimmt nicht die Tür gewiesen!«
    »Natürlich nicht«, erwiderte Carl und nippte an seinem Wein, während er intensiv überlegte, welche Absichten eine hochgestellte Person bei der militärischen Spionage damit verfolgen konnte, ihn aufzusuchen. »Ich nehme aber an, du hast dein Vorhaben aufgegeben, mich anzuwerben. Ich meine, angesichts deiner indiskreten Manieren?«
    »Die Hoffnung ist das letzte, was der Mensch aufgibt, das stimmt schon. Aber ehrlich gesagt habe ich keinerlei Pläne, dich anzuwerben. Als Feinde sind wir beide nützlicher denn als Führungsoffizier und Agent.«
    »Sind wir denn immer noch Feinde?«
    »Ja, selbstredend! Obwohl natürlich nicht persönlich. Das wirst du spätestens morgen entdecken, wenn nicht schon vorher.«
    »Aha! Du bist also nicht nur hier, um über sentimentale Erinnerungen zu sprechen, und das trotz deiner russischen Seele. Du möchtest über unsere Verhandlungen sprechen«, sagte Carl und machte eine bauernschlaue Miene. Er unterstrich seine Worte dadurch, daß er Jurij Tschiwartschew einen Zeigefinger gegen die Brust stieß.
    »Lieber Kollege! Wir haben bestimmt eine Menge interessanter Dinge zu besprechen, du und ich«, erwiderte Jurij Tschiwartschew in dem gleichen scherzhaften Tonfall wie bisher, so daß Gesichtsausdruck und Worte etwas völlig Verschiedenes zu sagen schienen.
    Carl fühlte sich

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